Über diese Steine sollen wir stolpern

Um die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten auch in der heutigen Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, erinnern zahlreiche Akteure an die schreckliche Zeit Foto: Tanja Bamme

Bertha Mayer war unschuldig. Die im Jahr 1867 geborene Erkratherin lebte zunächst mit ihren Eltern, später mit ihrer Schwester und deren Mann auf der Düsselstraße und bewirtschaftete eine familieneigene Fleischerei auf der Bahnstraße. Ein bürgerlicher Lebensabend schien ihre Zukunft zu sein. Ein Leben, welches Bertha Mayer 1942 unfreiwillig im Konzentrationslager Theresienstadt lassen musste. Sie war Jüdin. Die letzte in Erkrath.

Um die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten auch in der heutigen Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, liegen in Erkraths Stadtgebiet sechs Stolpersteine vor den Häusern ehemaliger, jüdischer Familien. Steine, die an die Menschen erinnern, deren Zukunft auf erbarmungslose Weise ausgelöscht wurde. Stets um den 27. Januar- dem bundesweiten Gedenktag an die Opfer des Holocaust – werden die Stolpersteine gereinigt. Auch in diesem Jahr, in dem sich zum 75. Mal die Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee jährte, nahmen Vertreter von Rat und Verwaltung, Landtagsabgeordnete sowie zahlreiche Schülerinnen und Schüler der Gymnasien und Realschulen an der gelebten Erinnerungskultur teil. Die Steine, die allesamt vom Künstler Gunter Demnig gestaltet wurden,  sollen den ermordeten Opfern der NS- Propaganda einen Namen geben. Mit Politur und Eisenwolle gelangen die Steine dank jugendlicher Hilfe zurück zu neuem Glanz.

Mit Politur und Eisenwolle werden die Stolpersteine von Schülerinnen und Schüler gereinigt
Foto: Tanja Bamme

Mit einem einstudierten Gedicht machten zunächst Schüler der Theater-AG der Realschule Alt-Erkrath auf das „Nicht-vergessen“ aufmerksam. „Solange wir leben, werden sie auch leben. Denn wir vergessen nicht“, so die mahnenden Worte der Schüler. Ihnen voraus ging die eindringliche Rede des Bürgermeisters Christoph Schultz. „Wir alle stehen in der Verantwortung, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einzustehen“, so Schultz, der ebenso auf das weitere Vergehen des Nationalsozialismus verweist: „Von bis zu 250.000 geschätzten Tätern sind gerade einmal 172 Menschen verurteilt worden. Ein paar wenige Täter wurden von den Alleierten vor Gericht gestellt. Die meisten Täter jedoch sind friedlich in ihren Betten gestorben, haben sogar noch ehrbare Ämter übernommen“, so Schultz.

Wer waren die NS-Opfer? Mit dieser Frage haben sich die Gymnasiasten der Geschichtsklasse beschäftigt
Foto: Tanja Bamme

Jedem der sechs Stolpersteine steht ein Pate zur Seite, der die Pflege der kleinen Mahnmale übernimmt. Für den Stein von Bertha Mayer steht Grünen-Ratsmitglied Peter Knitsch ein, der im Zeichen der Erinnerung und Anteilnahme eine weiße Rose niederlegte und sich den Worten des Bürgermeisters anschloss. Er selbst studierte noch bei einem Würdenträger, der deutlich mit der Naziherrschaft in Verbindung gebracht werden kann. „Wir alle sollten Zivilcourage zeigen und gegen die Diskriminierung von Minderheiten einstehen“, so Knitsch.

Wer die Menschen waren, deren Stolpersteine heute noch an die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten erinnern, haben Schüler des Gymnasiums am Neandertal aufgearbeitet. „Bertha Meyer führte ein gewöhnliches Leben mit ihrer Schwester und deren Mann bis zum 69. Lebensjahr. Durch die Machtübernahme hat sich ihr Leben schlagartig verändert“, verbildlichten die Schüler das Schreckensszenario. „Mit 77 Jahren wurde sie vom NS-Regime in ein Altersheim gedrängt, zwei Jahre später war ihr Schicksal besiegelt. Sie fand am 14. Dezember 1942 im KZ Theresienstadt ihr grausames Ende. Sie war die letzte Jüdin in Erkrath.

Wissenswertes: Weitere Stolpersteine, die im Zuge der Säuberungsaktion angesteuert wurden, lassen sich an der Sedentaler Straße 18 (Tomasz Brzotowicz), der Schlüterstraße 1a (Emil Schmidt), am Rathelbecker Weg 11 (Otto Lukat und Peter Hupertz) sowie an der Kirchstraße vor der katholischen Kirche finden. Letzterer steht für ältere und behinderte Frauen, die 1941 deportiert wurden. Eine Liste der Stolpersteine sowie deren Geschichten sind auf Wikipedia unter dem Stichpunkt „Liste der Stolpersteine in Erkrath“ zusammengefasst.   

Bertha Mayers Leben fand ein unfreiwilliges und schreckliches Ende. Sie war die letzte Jüdin Erkraths.
Foto: Tanja Bamme

Insgesamt gibt es in Europa über 60.000 Stolpersteine.

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