Sommerinterview: Wolfgang Jöbges

von Ria Garcia

Wolfgang Jöbges. Foto: privat

Die Kommunalpolitik hat Sommerpause. Wir haben die Gelegenheit genutzt und einige Fragen an die Politiker gerichtet. Heute im Interview: Wolfgang Jöbges, Fraktionsvorsitzender der CDU.

Baustellen auf Erkraths Straßen, Baustellen bei der Bahn:
Während der kompletten Sommerferien fahren weder die S 8 noch die S 28. Gleichzeitig erschweren Baustellen während der Ferienzeit Pendlern den Weg zur Arbeit.

Redaktion: Was sagen Sie in dieser Situation frustrierten Pendlern zur Mobilitätswende?

Wolfgang Jöbges: S 8 und mittlerweile auch die S 28 sind seit Jahren das Sorgenkind im ÖPNV der Stadt Erkrath. Zugausfälle und Verspätungen wurden wiederholt in politischen Gremien der Stadt diskutiert, ohne das die Verantwortlichen der DB Abhilfe schaffen. Wenngleich die Notwendigkeit von Bauarbeiten am Schienen- und Signalsystem nachvollziehbar ist, fehlt uns doch für die mangelnde Kommunikation und den fehlenden guten Willen jedes Verständnis. Die Reparatur eines Aufzugs zieht sich zum Beispiel über Monate hin. Züge halten mal in Erkrath mal nicht. Der Schienenersatzverkehr funktioniert nur teilweise oder gar nicht. So kann die Verkehrswende nicht gelingen. Erkrath war den gesamten Sommer vom Schienennetz abgeschnitten und unsere Einwohner hatte nicht viel vom 9-Euro-Ticket.

Steigende Mieten:
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp und wird mit dem weiteren Wegfall von Sozialwohnungen noch knapper. Aber nicht nur Kaltmieten sind ein Problem. Steigende Energiekosten treiben auch die Nebenkosten in die Höhe.

Redaktion: Mit welchen Maßnahmen würden Sie kurz bis mittelfristig dafür sorgen, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht?

Wolfgang Jöbges: Ein wichtiger Schritt zur Schaffung von neuem Wohnraum in Erkrath war unsere Zustimmung zum Bauprojekt Düsselterrassen in Alt-Erkrath. Dort werden auf 40 Prozent aller Flächen fast 300 preisregulierte Wohnungen geschaffen und dazu noch nach dem höchsten ökologischen Standard.
Für das neue Baugebiet Erkrath Nord sprechen wir uns auch für die Schaffung von Sozialwohnungen aus.
Neu errichtete Gebäude müssen dem aktuellen Gebäudeenergiegesetz entsprechen. Insoweit ist dort von einem Rückgang des Energieverbrauches auszugehen, was diese Wohnungen auch attraktiv machen wird.

Grundsteuer:
Erkrath hat aufgrund einer Mehrheitsentscheidung auf eine Grundsteuererhöhung verzichtet, die Nachbarstädte – wie etwa Mettmann – bereits vorgenommen haben. Statt dessen wurde ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept beschlossen, für dessen Realisierung eine Beratungsgesellschaft ein Gutachten erstellen soll, das Sparpotentiale aufzeigt.

Redaktion: Wo sehen Sie die meisten Sparpotentiale in der Stadt? Kann die Stadt ohne Grundsteuererhöhung in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreichen?

Wolfgang Jöbges: Losgelöst von den zusätzliche Belastungen und Einnahmeausfällen durch die Corona Pandemie und den Krieg in der Ukraine, war die Haushaltslage der Stadt Erkrath schon seit Jahren besorgniserregend. Wir sind als CDU zwar die größte Fraktion, verfügen jedoch über keine Mehrheit im Rat um den teilweise extremen Ausgabewünschen anderer Fraktionen etwas entgegen zu setzen. Bereits im Kommunalwahlprogramm 2020 hatten wir festgelegt, dass wir als CDU einseitige Steuererhöhungen ablehnen. Wir haben die Sorge, dass die durch die Steuererhöhung generierten Gelder in neue Projekte investiert werden, die wiederum die Bürgerinnen und Bürger neu belasten. Vielmehr ist ein Gesamtkonzept von Einsparungen und Einnahmeverbesserungen zu erarbeiten. Nach Erarbeitung der Vorschläge durch das Beratungsunternehmen werden wir sehen, welche Maßnahmen erforderlich sind. Dann steht der Rat in der Verantwortung durch Beschlüsse die finanzielle Überlebensfähigkeit der Stadt Erkrath zu sichern. Dies wird leider nicht ohne die Zurückführung von Leistungen und Standards zu erreichen sein.

Steigende Energiepreise, Engpass beim Gas:
Gas wird knapp und möglicher Weise zum ‚Druckmittel‘ im Ukrainekrieg. Laut Medienberichten werden Zweidrittel der Haushalte in Deutschland mit Gas beheizt.

Redaktion: Wie kann Erkrath in Zukunft unabhängiger von steigenden Energiepreisen werden?

Wolfgang Jöbges: Erkrath ist keine Insel. Die Energiepreise werden nicht in Erkrath gemacht. Mit der Übernahme des Fernwärmenetzes in Hochdahl haben wir das Zepter in die Hand genommen, um überhaupt erst die Möglichkeit eine Dekarbonisierung der Energieerzeugung vorzunehmen.
Wir erinnern uns: Früher wurde die Fernwärme durch Verfeuern von Öl erzeugt. Dann erfolgte die Umstellung auf Gas. Die Errichtung des BHKW zur Erzeugung von Strom und Wärme aus Gas stellte damals einen ersten Schritt zur umweltgerechteren Fernwärmegewinnung dar.
Die Gutachten zur Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung haben ergeben, dass die Erzeugung der gigantischen Wärmemengen in Hochdahl für die FW nicht von heute auf morgen möglich ist. Wir setzen auf Tiefengeothermie. Ob das Wasser in bis zu 5000 m Tiefe in Erkrath genug Wärme liefern kann, bedarf noch umfangreicher Überprüfungen und Bohrungen.
Bund und Land sind aufgefordert das Planungsrecht für Großflächensolaranlagen zu vereinfachen. Der Bedarf an grüner elektrischer Energie steigt immer weiter. Initiativen vor Ort werden durch die übergeordnete Gesetzeslage gebremst.

Fachkräftemangel:
Seit Jahren ist der ‚Fachkräftemangel‘ Thema. Aktuell auch in der Stadtverwaltung. Unbesetzte Ingenieurstellen erfordern möglicher Weise eine Prioritätensetzung bei geplanten Baumaßnahmen. Aber auch in vielen anderen Bereichen der Verwaltung oder bei Erziehenden und Mitarbeitern in der Sozialarbeit könnte es künftig kritisch werden.

Redaktion: Was schlagen Sie vor, damit die Stadt als Arbeitgeber attraktiver wird? Welche Maßnahmen sollte die Stadt kurz- und mittelfristig ergreifen, um offene Stellen besetzen zu können?

Wolfgang Jöbges: Die Möglichkeiten zur Gewinnung von Personal sind durch das öffentliche Tarifrecht stark eingeschränkt. Die Höhe der Gehälter und die Einstufung ist für Beamte und Angestellte gesetzlich festgeschrieben. Die Spielräume der Verwaltung sind gering. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass das Verhalten von einigen Ratsmitgliedern und Fraktionen, alles besser als die Verwaltungsmitarbeiter zu wissen und die Verwaltung mit Anfragen, Vorwürfen und gar Beschimpfungen zu überhäufen, nicht dazu führt, dass Bewerber in Erkrath ihren Traumjob finden. Auch war dies in der Vergangenheit ein Grund für Bestandsmitarbeiter die Stadt Erkrath zu verlassen und dies spricht sich leider herum.

Stadtweiher:
Der Anstauversuch ist bis November verlängert worden.

Redaktion: Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Stadtweiher weitergehen?

Wolfgang Jöbges: Theorie und Praxis treffen hier aufeinander. Primäres Ziel ist die dauerhafte Erhaltung der Wasserfläche. Eine große Wasserfläche im Stadtgebiet ist für das Microklima von großer Bedeutung. Wenn dies mit vertretbaren Mitteln möglich ist, ist allen gedient. Die Gutachter waren diesbezüglich skeptisch. Deshalb ist die Verlängerung des Anstauversuchs bis Ende 2022 der richtige Weg. Ansonsten müssen Alternativen mit den Bürgen diskutiert und gefunden werden.

Persönliches Anliegen:

Redaktion: Welches Thema liegt Ihnen persönlich in Bezug auf die Stadt aktuell am meisten ‚auf dem Herzen‘? (Erklären Sie warum.)

Wolfgang Jöbges: Die Zeiten sind sehr ernst und berechtigen zu großer Sorge. Wirtschaftlich und weltpolitisch stehen wir in Deutschland und in Erkrath plötzlich in der größten Krise seit 1945.
Es wird in der nächsten Jahre entscheidend darauf ankommen, die kritische Infrastruktur, die normale Infrastruktur, die Daseinsfürsorge und die essenziellen Standards der Stadt Erkrath aufrecht zu erhalten.
Insofern wäre dies mein persönlicher Wunsch: Erkrath soll weiterhin eine lebens- und liebenswerte Stadt bleiben sowie jungen und alten Menschen alle Möglichkeiten bieten, die im Rahmen der aktuellen Situation erreichbar sind.

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