Sommerinterview: Markus Lenk

von Ria Garcia

Markus Lenk/ Foto: Die Linke Erkrath

Die Kommunalpolitik hat Sommerpause. Wir haben die Gelegenheit genutzt und einige Fragen an die Politiker gerichtet. Heute im Interview: Markus Lenk, Fraktionsvorsitzender Die Linke.

Baustellen auf Erkraths Straßen, Baustellen bei der Bahn:
Während der kompletten Sommerferien fahren weder die S 8 noch die S 28. Gleichzeitig erschweren Baustellen während der Ferienzeit Pendlern den Weg zur Arbeit.

Redaktion: Was sagen Sie in dieser Situation frustrierten Pendlern zur Mobilitätswende?

Markus Lenk: Wenn es um die Verkehrswende geht, braucht man nicht auf diese Sommerferien zu verweisen um schwere Versäumnisse zu sehen: Die S-Bahnen durch Erkrather Gebiet fahren schon im Normalbetrieb zu selten, viel zu unzuverlässig und die Fahrscheine sind zu teuer. Auch bei den Bussen brauchen wir engere Takte und neue Routen. Eine Verkehrswende weg vom individuellen PKW Verkehr hin zu einem gut ausgebauten ÖPNV ist schon wegen des Klimaschutzes notwendig.  Und die klappt nur, wenn wir auch als Stadt und Kreis konsequent handeln und den ÖPNV schnell und zuverlässig ausbauen: Angefangen von dem lange überfälligen Haltepunkt des DB-Regionalverkehrs in Erkrath und der Ausweitung der Busstrecken (z.B. Verlängerung des 786 bis zum Haaner Krankenhaus) bis hin zur Barrierefreiheit (Stichwort: Aufzüge an den S-Bahnen). Da genügt es nicht, den Verkehrsverbünden und der DB auf den Fuß zu treten, wir müssen drauf springen und erst wieder nachlassen, wenn unsere Forderungen erfüllt sind.

Mobilitätswende (im Vergleich zur Verkehrswende) bedeutet aber noch mehr: Mobilität ist ein Grundbedürfnis und muss ermöglicht werden. Wer die regulären Preise im ÖPNV kennt, der weiß: arme Menschen können selbst ein Ticket2000 oder Ähnliches nicht mehr bezahlen. Mobilität darf kein Privileg der Besserverdienenden sein. Das 9-Euro Ticket hat vielen Menschen Mobilität ermöglicht (auch im Nahverkehr wurden weit weniger „Schwarzfahrer:innen“ erwischt) und bezahlbar gemacht. Kurzfristig muss diese Möglichkeit erhalten bleiben, langfristig brauchen wir einen fahrscheinfreien Regionalverkehr.

Steigende Mieten:
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp und wird mit dem weiteren Wegfall von Sozialwohnungen noch knapper. Aber nicht nur Kaltmieten sind ein Problem. Steigende Energiekosten treiben auch die Nebenkosten in die Höhe.

Redaktion: Mit welchen Maßnahmen würden Sie kurz bis mittelfristig dafür sorgen, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht?

Markus Lenk: Primär geht es erst einmal darum, dass mehr bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt! Im Moment treiben vor allem die großen Wohnungsgesellschaften die Mietspirale immer weiter in die Höhe. Als Mieter bei der LEG, Vonovia und Co. muss man wissen, dass die Aktionäre dort pro Jahr und Wohnung rund 2000 Euro als Dividende erhalten. Wofür eigentlich? Die nächsten Mieterhöhungen sind angekündigt und werden dann den Profit von Aktionären erhöhen. Wir haben eine kommunale Wohnungsgesellschaft vorgeschlagen mit der auch Bestandsimmobilien zurückgekauft werden können. Leider hat eine solche kommunale Wohnungsgesellschaft bisher keine Mehrheit im Stadtrat gefunden. Aber wir bleiben dran.

Wir haben es für falsch gehalten, das große Wohnungsbauprojekt Wimmersberg an Catella zu verscherbeln und dort nur kleine Auflagen hinsichtlich von bezahlbaren Mietpreisen zu machen. Der Immobilienkonzern wird von internationalen Kapitalinteressen und nicht von regionalen Mieterinteressen getrieben. Da kann man sich an seinen Fingern abzählen, ob dieses vorerst letzte große Wohnprojekt den Bedürfnissen der Erkrather:innen folgt oder den Kapitalinteressen ihrer Aktionäre.

In Erkrath wird nicht mehr viel neu gebaut werden können, und wo dies passiert, sollte es nach dem Wiener Modell überwiegend auf Erbpachtbasis, von Genossenschaften oder öffentlichen Trägern erfolgen. Wir dürfen den „Markt“ von Mietwohnungen nicht den internationalen Spekulanten und Immobilienhaien überlassen. Wohnen ist Menschenrecht.

Grundsteuer:
Erkrath hat aufgrund einer Mehrheitsentscheidung auf eine Grundsteuererhöhung verzichtet, die Nachbarstädte – wie etwa Mettmann – bereits vorgenommen haben. Statt dessen wurde ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept beschlossen, für dessen Realisierung eine Beratungsgesellschaft ein Gutachten erstellen soll, das Sparpotentiale aufzeigt.

Redaktion: Wo sehen Sie die meisten Sparpotentiale in der Stadt? Kann die Stadt ohne Grundsteuererhöhung in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreichen?

Markus Lenk: Egal ob wir sparen, die Grundsteuer erhöhen oder mehr Gewerbesteuer aus vermeintlichen „Premium-Gewerbegebieten“ erhalten: Einen ausgeglichen Stadthaushalt, in dem wir alle für die Erfüllung unserer Aufgabe notwendigen Mittel einsetzen, werden wir nicht hinbekommen. Wenn „Sparen“ vorgeschlagen wird ist das Augenwischerei: Alle Städte und Gemeinden sind strukturell unterfinanziert! Das liegt zuerst daran, dass Land und Bund ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, die Kosten von an die Kommunen übertragenen Aufgaben zu begleichen. Dazu wurden den Gemeinden die Mittel aus Steuern entzogen – zum Beispiel aus der Vermögenssteuer.

Auch Erkrath verdient solide Finanzen und nicht jedes Jahr eine Diskussion, ob wir Teile der Bücherei oder einen Hausmeister an einer Schule einsparen können. Die Ampel in Berlin oder Schwarz-Grün in Düsseldorf haben zur Lösung des Problems „Kommunale Finanzen“ alle Fäden in der Hand: Einhaltung der Regel „Wer bestellt, bezahlt auch“, Erhöhung des Anteils der Steuern für die Kommune, Schluss mit aufwendigen Programmförderungen. Sie entscheiden auch ob wir wieder die Mittel aus einer Vermögenssteuer erhalten oder stattdessen die Gemeinde die Grundsteuer- oder Gewerbesteuer erhöhen muss.

In diesem Zusammenhang: Als „Sparkommissare“ wurden von der Ratsmehrheit die Wirtschaftsprüfer von  PricewaterhouseCoopers (PwC) eingesetzt. Wer sich für die skandalträchtige Organisation informieren möchte, kann bei wikipedia nachlesen. Kosten der „Sparaktion“: Wahrscheinlich mehr als 100.000 Euro. Hier sehen wir Einsparpotential!

Steigende Energiepreise, Engpass beim Gas:
Gas wird knapp und möglicher Weise zum ‚Druckmittel‘ im Ukrainekrieg. Laut Medienberichten werden Zweidrittel der Haushalte in Deutschland mit Gas beheizt.

Redaktion: Wie kann Erkrath in Zukunft unabhängiger von steigenden Energiepreisen werden?

Markus Lenk: Die Preise für Strom und Gas werden von den Energiekonzernen und an den Energiebörsen gemacht. Dort werden aktuell gigantische Gewinne eingefahren – zu Lasten der Verbaucher:innen und zu Gunsten der Aktionäre. Das hat bereits vor dem Ukraine-Krieg angefangen und wird auch über das hoffentlich baldige Kriegsende hinausgehen. Solange wir bzw. unsere Stadtwerke nicht unabhängig sind von diesem Spektakel, können wir vor Ort wenig gegen steigende Energiepreise tun.

Wir treten für eine schnelle Dekarbonisierung der Stadtwerke ein und wollen die Fernwärme bis 2030 aus lokaler Erdwärme, Solar und evtl. Windenergie erzeugen. Den Strom für die Stadt können wir leicht aus erneuerbaren Energien herstellen – wenn wir dann endlich mit deren Ausbau anfangen.

Fachkräftemangel:
Seit Jahren ist der ‚Fachkräftemangel‘ Thema. Aktuell auch in der Stadtverwaltung. Unbesetzte Ingenieurstellen erfordern möglicher Weise eine Prioritätensetzung bei geplanten Baumaßnahmen. Aber auch in vielen anderen Bereichen der Verwaltung oder bei Erziehenden und Mitarbeitern in der Sozialarbeit könnte es künftig kritisch werden.

Redaktion: Was schlagen Sie vor, damit die Stadt als Arbeitgeber attraktiver wird? Welche Maßnahmen sollte die Stadt kurz- und mittelfristig ergreifen, um offene Stellen besetzen zu können?

Markus Lenk: Wir fragen uns auch, warum Mitarbeiter die Stadt in Scharen verlassen und viele offene Stellen seit Monaten unbesetzt sind. Beides sind Hinweise darauf, dass die Stadt Erkrath als Arbeitgeber nicht attraktiv ist. Es gilt, genau diese Attraktivität zu erhöhen.

Damit man gerne nach Erkrath zum Arbeiten kommt, braucht es nicht nur bessere Löhne und Gehälter. Hier würde es sicher helfen, wenn neue Stellen nicht immer nur in der tiefstmöglichen Eingruppierung ausgeschrieben werden.

Die Stadt muss viel umfänglicher als bisher ausbilden. Die Zahl der Auszubildenden erreicht bei weitem nicht den Bedarf für die in den nächsten Jahren ausscheidenden Mitarbeiter.

Die „weichen“ Standortfaktoren dürfen nicht unterschätzt werden: Eine günstige Wohnung vor Ort (z.B. durch die Kommunale Wohnungsgesellschaft), ein kostenfreier KiTa-Platz, eine Gesamtschule, ein reiches, kulturelles Stadtleben können die Entscheidung für Erkrath als Arbeitgeber erleichtern. Wo man gerne lebt, da arbeitet man auch gerne. Das spart im Übrigen auch das Pendeln.

Stadtweiher:
Der Anstauversuch ist bis November verlängert worden.

Redaktion: Wie soll es Ihrer Meinung nach mit dem Stadtweiher weitergehen?

Markus Lenk: Der Stadtweiher ist das Herz von Hochdahl. Da gehört das Baugitter raus, das Abflusswehr gehört repariert, eine vernünftige Belüftung rein und dann wieder Fischbesatz. Die Pflege muss gewährleistet werden. Und im Umfeld können wir uns viele Dinge vom Grillplatz bis zum Wasserspielplatz oder Hundespielplatz vorstellen. Der Erhalt des Stadtweihers und des Parks darum herum ist allein deshalb so wichtig, weil er der Garten von tausenden Menschen um ihn herum ist, die selbst keinen eigenen, privaten Garten haben.

Wir müssen anfangen, den Stadtweiher auch als das zu sehen, was er tatsächlich ist: Ein Indikator dafür, wie gut es unserem Grundwasser und unseren Gewässern geht. Geht es dem Stadtweiher schlecht, steht es schlecht um unsere Umwelt. Wir haben beantragt, das Mischwassersystem unserer Kanalisation in den nächsten Jahrzehnten aufzulösen und Regenwasser wieder auf Erkrather Boden versickern zu lassen. Zu prüfen sind die vielen Genehmigungen zur Entnahme von Grundwasser – und ob sie noch zeitgemäß sind.

Persönliches Anliegen:

Redaktion: Welches Thema liegt Ihnen persönlich in Bezug auf die Stadt aktuell am meisten ‚auf dem Herzen‘? (Erklären Sie warum.)

Markus Lenk: Zwei Dinge fallen mir im Moment besonders auf:

Der „Schwund“ im öffentlichen Raum. Als Beispiel nehme ich den Bolzplatz am Kinderhaus Sandheide, der jetzt Parkplätzen für den Campus Sandheide weichen soll. Wieder wird ein frei nutzbarer Platz weggemacht – ohne Alternative für die Kinder und Jugendlichen zur freien, gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung. Dabei müssten wir in Erkrath genau den öffentlichen Raum ausbauen. Es gibt zum Beispiel keine einzige öffentliche Möglichkeit mit Freunden Basketball zu spielen. Gerade Jugendliche und ihre Treffpunkte sind die Vergessenen in Erkrath – und das ist schon seit Jahren so. Ein anderes Beispiel ist der „Rote Platz“, der Europaplatz, der statt einer vernünftigen, öffentlichen Nutzung eine „Verrottungskur“ erhält. Natürlich freue ich mich über die Diskussion zu öffentlichen Trinkbrunnen, wir mahnen außerdem schon seit Jahren öffentliche Toiletten an.

Es scheint niemanden zu erschrecken, dass wir offensichtlich einen Verlust an Vertrauen in die demokratischen Instanzen haben. Stimmbezirke mit 30% Wahlbeteiligung sind schreckliche Konsequenz. Vorschläge, Bürger:innen mehr einzubeziehen und für die Demokratie zu gewinnen, wie unser Vorstoß zur Demokratieplattform „CONSUL“, werden nach der Vorstellung einfach verschleppt. Seit inzwischen fast einem Jahr ist genau NICHTS passiert.

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