Politiktheater in der Stadthalle

von Ria Garcia

Foto: LW

Die gestrige Ratssitzung, Fortsetzung der Sitzung vom 27. April 2023, endete vorzeitig. CDU und SPD verließen die Stadthalle und verhinderten so eine weitere Abstimmung. Der Rat war nicht mehr beschlussfähig. Was war geschehen?

Als am 27. April um 21 Uhr die Tagesordnung immer noch nicht abgearbeitet war, war klar, dass es einen Folgetermin geben muss. Zu Sitzungsbeginn war deren vorzeitiges Ende noch nicht abzusehen.

Die BürgerSolarBeratung Erkrath stellte sich dem Rat vor. Aktuell lägen zehn Anfragen von Bürgern vor. Sechs Beratungen würden gerade durchgeführt, 30 weitere seien bereits abgeschlossen. Dabei würden der Ertrag, die Kosten und die Amortisation der Anlage anhand des jeweiligen Dachs berechnet. Die BürgerSolarBeratung ist ehrenamtlich tätig. Das Projekt wurde vom Kreis Mettmann hier im Kreis initiiert. Vier kreisangehörige Städte beteiligten sich bereits an der ersten Workshop-Runde in 2022: Erkrath, Hilden, Ratingen und Wülfrath.

Diskussion und Abstimmung zu TOP 6.2

Unter TOP 6 Fraktionsanträge kam man überein, dass 6.1 entfallen könne und man 6.2 ‘Keine Beteiligung der Stadtwerke Erkrath GmbH an den Ausschreibungen iKWK und KWK – kein Bau eines neuen Gas-BHKW in Hochdahl; Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 27.03.2023‘ vorziehe. Die FDP merkte an, dass sie ihren Antrag zum Thema auf der Tagesordnung vermisse, der steckte allerdings als Vorgang 77/2023 unter TOP 6.2. Dafür fehlt der in der Vorlage erwähnte, per Email gesandte Antrag, der Grünen vom 27.03.2023 als PDF-Anlage im im Ratsinformationssystem. Verwirrung zum Tagesordnungspunkt also schon zu allgemein.

Die Grünen positionierten sich weiter gegen die Ausschreibung eines neuen Blockheizkraftwerks in Hochdahl. Dazu seien inzwischen alle Argumente ausgetauscht. Man solle 10 Millionen Euro nicht in alte Technik investieren. Den Stadtwerken warf man Greenwashing vor. Der Strom werde an der Börse verkauft und gelange nicht direkt zu den Erkrather Bürgern. Ökostrom basiere auf ‘Billiglizenzen’. Die Entscheidung über ein neues Blockheizkraftwerk solle so lange vertagt werden, bis ein echter Umbauplan auf erneuerbare Energien vorläge. Die BmU stimmte der Kritik der Grünen zu und kritisierte zudem, dass die Stadt die Fernwärme übereilt und ohne Konzept gekauft habe. Man sei jetzt in die Falle getappt, dass man weiter auf immer teurer werdendes und klimaschädliches Erdgas setzt.

Eine Meinung, die von der SPD nicht geteilt wurde. Aus Sicht der Fraktion sei die Betriebssicherheit des alten Blockheizkraftwerks nicht mehr gegeben. “Wir wollen doch umbauen.” Das Ziel der CO2-Neutralität bis 2030 sei klar, aber das Potential der Geothermie sei nicht so hoch, wie erhofft. Als kurzfristige Alternative wären nur Hackschnitzel eine Alternative. Dazu gäbe es ein gutes Förderangebot vom Bund und parallel könne dann auch eine Investition in Photovoltaikanlagen erfolgen. Den Antrag lehne die SPD deshalb ab.

Die FDP setzte dem entgegen, dass das Ziel nicht beschlossen sei, man sei auf halben Wege stehengeblieben. Vor einer Entscheidung brauche man eine Strategie und die Alternativen seien noch nicht alle geprüft. Sich jetzt für die Ausschreibung der Gaskraftwerke zu entscheiden, sei aus Sicht der FDP genauso ein Fehler, wie der überstürzte Kauf der Fernwärme. Die Fraktion befürchtet zusätzliche Kosten, die ‘wenn es schief geht’ wiederum bei der Stadt landen würden. Die AfD schloss sich dieser Meinung weitestgehend an und möchte Alternativen aufzeigen und darüber diskutieren. Den Gaspreis stuft die Fraktion weiter als Risiko ein und Fracking-Gas sei ja nun auch nicht sehr ökologisch, schloss man eine solche Alternative aus.

Die Linke kündigte an, dem Antrag nicht zuzustimmen. Es sei gut, das man beginne regenerativ zu denken und handeln. Gut sei aber auch, dass es eine Förderung gäbe und man die Entscheidungen nun selbst in der Hand habe. Selbst ein kleiner Teil sei besser als nichts. Die CDU erinnerte daran, dass die neu zu bauenden Blockheizkraftwerke wasserstofftauglich seien und man bereits einen ersten Schritt gemacht habe. Man solle nicht vergessen, dass die Stadtwerke verpflichtet seien Wärme zu liefern und es gäbe aktuell keine Alternative. Die BmU erinnerte daran, dass die Fraktion beim Beschluss darauf hingewiesen habe, dass man die in Gasfalle laufe. “Heute will das keiner mehr hören.”Die BmU plädiere für einen ‘echten’ Transformationsplan.

Trotz Fehlens von sechs Ratsmitglieder aus CDU und SPD ergab sich bei der anschließenden Abstimmung mit den Stimmen der Linken eine knappe Mehrheit gegen den Antrag der Grünen, der abgelehnt wurde. Es bleibt also bei den geplanten Investitionen zum Bau eines neuen Gas-BHKW.

Vorzeitiges Sitzungsende

Unter TOP 6.3 stand der Antrag ‘Ökologische / Ökonomische Alternativen zur Nutzung von gasbetriebener IKWK / KWK’ und unter TOP 6.4 der Antrag ‘sozialverträgliche sowie wirtschaftliche Renditeerwartung für das Fernwärmenetz der Stadtwerke, betrieben durch die Stadtwerke Erkrath’, beide vom 17. April 2023, auf der Tagesordnung. Zu beiden hatte die AfD die Aufnahme in die Tagesordnung beantragt, ein formulierter Antrag lag aber auch zur Ratssitzung im Ratsinformationssystem nicht vor. Eine ausreichende Vorberatung in den Fraktionen war deshalb nicht möglich gewesen.

Mit dem vorherigen Hinweis von Bürgermeister Christoph Schultz, dass in dieser Sitzung drei Ratsmitglieder aus CDU und drei aus SPD fehlen würden, beantragte die CDU deshalb eine Vertagung der Abstimmung in den Haupt- und Finanzausschuss, der heute Nachmittag stattfindet. Die SPD stellte in den Raum, dass SPD und CDU den Saal verlassen würden, wenn der Vertagung nicht zugestimmt würde. Daraufhin erinnerte die BmU daran, dass man ihr vor drei Jahren in einem ähnlichen Fall undemokratisches Handeln vorgeworfen habe. “Jetzt ist das okay?” (Anm. d. Red.: 2020 titelten wir ‘Sonderratssitzung macht sprachlos‘. Damals verließen Grüne und BmU den Sitzungssaal, weil sie gegen eine Offenlegung der Pläne Wimmersberg in den Sommerferien waren. Die Sitzung konnte anschließend jedoch fortgesetzt werden.)

Nachdem der Vertagungsantrag der CDU keine Mehrheit fand, machten die beiden Fraktionen CDU und SPD ‘ihre Drohung’ wahr und verließen den Sitzungssaal. Bürgermeister Christoph Schultz erklärte den Rat für nicht mehr beschlussfähig und beendete die Sitzung vorzeitig. Nachdem die Vertagung in den Haupt- und Finanzausschuss zuvor schon abgelehnt wurde, können die Anträge nun voraussichtlich nur in einer nächsten Ratssitzung behandelt werden.


Noch am gestrigen Abend erreichte eine Pressemitteilung der BmU als Reaktion auf die Sitzung unsere Redaktion:
CDU und SPD lassen angesichts der Thematisierung der Fernwärme-Strategie der Stadtwerke die Ratssitzung platzen
Oder: -stell dir vor, es ist Rat und ein Großteil der Mitglieder verlässt den Saal, um eine Abstimmungsniederlage zu verhindern-
Nachdem auf der letzten Ratssitzung am 27.04.2023 die Tagesordnung nicht vollständig abgearbeitet werden konnte, musste sich am 22.05. der Rat nochmals zusammenfinden. 
Um dann aber doch vorzeitig nach Hause zu gehen, da CDU und SPD zu den Hauptpunkten der Sitzung den Saal verlassen und der Bürgermeister die fehlende Beschlussfähigkeit festgestellt und die Sitzung für beendet erklärt hatte. 
Was war passiert?
An sich waren die TOPs aufgerufen, die sich mit den Beschlüssen des Aufsichtsrates der Stadtwerke bezüglich des Themas Fernwärme beschäftigen sollten: Dort war beschlossen worden, sich an Ausschreibungen zu beteiligen, mit dem Ziel einen neuen Heizkessel und neue Blockheizkraftwerke anzuschaffen, die weiterhin mit Erdgas befeuert würden. Aktuell weiter in die Erdgas-Technologie zu investieren, hält die BmU finanziell und klimapolitisch für völlig falsch. Auch fehlt den Stadtwerken weiterhin ein Transformationsplan, ohne einen solchen eine Investition in Erdgas zu tätigen, ist mehr als fragwürdig.
Es zeigt sich wiederholt, dass die Stadt -mit den Stimmen von CDU, SPD, Linken und sogar Grünen- vor zwei Jahren völlig übereilt und unvorbereitet die Fernwärme gekauft hat. Obwohl klar war, dass die Anlagen 2027 kostenfrei an die Stadt gefallen wären, und man sogar mit einer zweistelligen Millionensumme Entschädigung von E.ON hätte rechnen können. Die BmU hatte die Übernahme der Fernwärme schon seit vielen Jahren eingefordert, hätte sich aber bis 2027 Zeit gelassen, um zunächst ein Konzept zu erstellen.
Hieß es damals noch, dass die Anlagen in Ordnung seien, bewahrheiten sich heute die Befürchtungen von BmU-Fraktionsvorsitzenden Bernhard Osterwind, dass das Netz marode sei und man in die „Gasfalle“ geraten würde. Von CDU und SPD war deutlich von „uraltem“ und „ineffizientem“ Kessel sowie Blockheizkraftwerk die Rede.
Diese Investition in Erdgas nun als „Übergangstechnologie“ zu bezeichnen, so SPD-Fraktionsvorsitzender Ehlert, muss scharf kritisiert werden. So wird eine solche Anlage sicher 20 bis 30 Jahre laufen müssen, damit sie sich rechnet, die Klimaziele für 2030/35 würde Erkrath so mit Sicherheit nicht erreichen, Erdgas wird allein durch die stetig steigende CO2-Abgabe immer teurer und in Zukunft immer mehr durch Fracking erzeugt werden. Und auch wenn eine solche Anlage „Wasserstoff-ready“ wäre, ist es nicht absehbar, wann in Deutschland entsprechende Mengen grünen Wasserstoffs zur Verfügung stünden. Auch entsprechende Mengen Biogas stehen nicht zur Verfügung.
Problematisch zudem die Bedingung der Ausschreibung, dass man den im BHKW gewonnenen Strom an der Strombörse verkaufen muss und er somit nicht der Erkrather Bürgerschaft zu Gute käme.
Die Ergänzung der neuen Erdgas-betriebenen Anlagen mit Solarthermie ist dann nur ein blassgrünes Feigenblatt. Auch hier wurden mit dem Beschluss hinsichtlich der Fläche Kleines Bruchhaus im letzten Rat Fakten geschaffen, ohne dass ein vernünftiges Konzept für die Dekarbonisierung mit anderen ökologisch sinnvollen Alternativen und ein Wirtschaftsplan bezüglich Renditeerwartung und einer sozialverträglichen Preisgestaltung existiert.
Der Linken muss entgegengehalten werden, dass es durch Geld in alte Technologie für die Bürgerschaft eben nicht günstiger werden wird, das zeigen eben auch die Zahlen im Aufsichtsrat. Eigenartig AfD-RM Saueressig, der durchaus gut vorbereitet einige positive Beispiele für eine kommunale Energiewende einbrachte, aber dazu vorab keinen Antrag und somit nähere Informationen einbringen wollte, die man in den Fraktionen hätte beraten können.
Reichte es nach hitziger Diskussion in einer ersten Abstimmung für CDU, SPD und Linken noch zu einer Mehrheit, an diesen Investitionsplänen festzuhalten, machte sich dann bei TOP 6.3 „Ökologische/Ökonomische Alternativen zur Nutzung von gasbetriebenen KWK“ das Fehlen von einigen Ratsmitgliedern bei CDU und SPD bemerkbar. In Sorge keine Mehrheit gegen diesen Antrag zu haben und nach gescheitertem Versuch der CDU, diesen Punkt in den HFA zu vertagen, machten CDU und SPD ihre bereits im Vorfeld geäußerte Drohung wahr, den Saal zu verlassen. CDU-Bürgermeister Schultz, der ja diese außerordentliche Ratssitzung so terminiert hatte, stellte daraufhin die fehlende Beschlussfähigkeit des Rates fest und schloss die Sitzung. Woraufhin die Ratsmitglieder beider Fraktionen nach einigen Minuten zurückkamen, um ihre Sachen zu holen. 
Man muss gespannt sein, ob sich der CDU-Ortsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Dr. Untrieser auch diesmal zu Wort melden und ein solches Verhalten als undemokratisch bezeichnen wird. So hatte er sich geäußert, als eine vergangene Sitzung u.a. zum Thema Wimmersberg kurzfristig in den Schulferien angesetzt worden war und Grüne und BmU aus Protest die Sitzung verlassen hatten, welche allerdings dadurch nicht abgebrochen, sondern weitergelaufen war. Wenn das schon „keine Demokraten“ waren, was war das heute?!

1 Kommentar

  1. Das schlimme ist die Entscheidung, die CDU und SPD mit ihrem Verhalten durchgesetzt haben: Der Bau dreier neuer Gaskraftwerke für über 10 Mio. €, die bis ca. 2040 laufen werden, ökologisch schädlich sind und vermutlich sowohl die Strom- wie die Fernwärmekunden in unserer Stadt über die Preise teuer zu stehen kommen werden. Jeder Einsatz für mehr Photovoltaik und die Gründung einer Erkrather Energiegenossenschaft werden damit kontaktiert und ad absurdum geführt!

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