Die neue Sonderausstellung Stereotypes Neanderthalerin, die seit Samstag (23. November 2024) im Neanderthal Museum zu sehen ist, bricht falsche Vorstellungen über das Leben der Neanderthalerinnen auf.
Pinkfarbenes Neonlicht, große Bildschirme und interaktive Elemente: Diese Ausstellung bricht mit dem üblichen Rahmen. Vier Neanderthalerinnen, vom 9-jährigen Kind bis zur Großmutter, begleiten Besucher via Zufallsgenerator einer gezogenen Karte beim Eintritt durch die Ausstellung und erzählen an den einzelnen Stationen ihre Geschichte. Begrüßt werden die Besucher allerdings schon vorher, denn der Weg zur Sonderausstellung führt durchs abgedunkelte Auditorium, in dem drei große Bildschirme warten.
Links ist das Ausstellungslogo zu sehen. Was in der Mitte zu sehen ist, bestimmen die Besucher interaktiv selbst. Vier farbige Quadrate sind auf den Boden geklebt. Gelb, türkisgrün, pink und lila. Es sind die Farben der vier Charaktere der Ausstellung. Sobald sich Besucher auf eines der Quadrate stellen, erscheint auf der Leinwand eine Figur, die sich mit den Bewegungen des Besuchers mitbewegt. Auf der rechten Seite ist auf dem Bildschirm farbig ein DNA Strang zu sehen, der daran erinnert, dass die Mehrzahl der heute lebenden Menschen etwa 2 bis 4 Prozent Neanderthaler Gene in sich trägt. Interaktiv gestaltet sind auch viele weitere Ausstellungselemente. Ausstellungsdesign und Grafik stammen vom Studio Quack in Köln. „Wir wollten keine Ausstellung in den üblichen Brauntönen“, erklärt Kuratorin Ecem Uludag. Eine kluge Entscheidung. Die auffällige Farbgebung, LED Laufschrift Hinweise und mehr, machen neugierig und führen die Besucher auf eine Entdeckungstour.
Vom Auditorium geht es in die Ausstellung und am Eingang zieht jeder Besucher eine Karte. „Welche Karte der Besucher erhält ist zufällig angeordnet“, so Uludag. Die jeweilige Farbe der Karte ist einem der vier Charaktere zugeordnet und zeigt dem Besucher welche farblich markierten Steckplätzen für die jeweilige Audiospur er an den einzelnen Stationen nutzen soll, um die Geschichte seiner Neanderthalerin zu hören. Die Texte aus dem Leben dieser vier Akteurinnen hat Bestsellerautorin Dr. Rebecca Wragg Sykes verfasst, die auch als wissenschaftliche Beraterin der Universität Cambridge gemeinsam mit Prof. Dr. Marie Soressi von der Universität Leiden an der Ausstellungsvorbereitung beteiligt war. Die britische Archäologin Wragg Sykes war schon als Kind von den Neandertalern fasziniert. Sie ist Mitbegründerin des TrowelBlazers Projekts, das sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Archäologie und den Geowissenschaften einsetzt. Ihr erstes Buch Der verkannte Mensch brachte ihr den renommierten Hessell-Tiltman-Geschichtspreis ein. Am vergangenen Freitag war sie zum Social Media Walk durch die Ausstellung, an dem auch wir teilnahmen, anwesend. (Die deutsche Übersetzung des Buchs ist im Penguin Verlag erschienen.)
Wie waren die Neanderthalerinnen?
Das Bild der Frau mit Kindern am Lagerfeuer oder beim Sammeln von Beeren entspringt wohl eher unserer patriarchalich-christlich geprägten Vorstellung aus einer überschaubaren Zeitspanne moderner Menschen. Das Leben der Menschen damals sah aber offensichtlich anders aus und so schwach, wie sie gerne dargestellt werden, sind Frauen nun einmal nicht. Neuere Forschungen belegen, dass Neanderthalerinnen auch Jägerinnen waren. Das erzählen auch Teile der Ausstellung. Einer der weiblichen Charaktere, die durch die Ausstellung führen, war eine Jägerin. Ausgestellt ist auch ein zerbrochener Speer, der den Neanderthalern als Jagdwaffe diente. Mit Birkenpech befestigten sie Sperspitzen und auch sonst waren sie handwerklich versiert, fertigten Schmuck und verarbeiteten Leder zu Kleidung oder Zelten.
Die Ausstellung greift das „weibliche Leben“ in seiner Gesamtheit auf, erzählt von Monatsblutungen genauso, wie von Geburten und von Kindersterblichkeit. Neanderthaler, die man lange Zeit als sehr primitiv dargestellt hat, waren offensichtlich auch heilkundig. Einige eingesetzte pflanzliche Stoffe finden sich noch heute in unseren Arzneien. Die Ausstellung zeigt die Neanderthaler als soziale Wesen, die sich offensichtlich auch um ihre Kranken kümmerten. Der Fund eines fast zahnlosen Neanderthalers, der an einer Kieferentzündung litt und dennoch vergleichsweise alt wurde, lässt vermuten, dass die Mitglieder seiner Gruppe das Essen für ihn vorkauten.
Impressionen der neuen Sonderausstellung
Unsere Bildergalerie hat Teile der interessanten Ausstellung eingefangen. Besucher sollten sich viel Zeit nehmen, um das Leben der Neanderthalerinnen zu erkunden. Wer den Rundgang mit allen Audiospuren ’seiner Neanderthalerin‘ durchlaufen hat, kann ihn noch drei weitere Male mit den anderen Charakteren wiederholen und deren Geschichten lauschen. Dabei sollten Besucher nicht versäumen die vielen Infotafeln zu lesen, die von den Lebensumständen der Neanderthaler berichten. Nicht zu vergessen: Die vielen Mitmachelemente der Ausstellung.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar