Mehrheiten im Rat – wie geht das?

von Ria Garcia

Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Was geschieht bei Ratsbeschlüssen, zu denen es keine klare Mehrheit gibt? Wer braucht wen, um zu einem mehrheitlichen Beschluss zu gelangen?

Nur die wenigsten Bürgerinnen und Bürger haben die Zusammensetzung des Rats vor Augen und können sich vorstellen, welche Fraktion mit einer oder mehren anderen Fraktionen oder Einzelratsmitgliedern eine Mehrheit bilden kann. Jeder Beschluss braucht natürlich eine Mehrheit. Bei Einzelbeschlüssen wechseln die Mehrheiten auch durchaus. Beim jährlichen Haushalt geht es jedoch ums Ganze. Hier werden die Prioritäten fürs Haushaltsjahr gesetzt. Wird am Ende keine Mehrheit erreicht, verzögert sich der Prozess der Abstimmung, es gibt sozusagen eine ‘Ehrenrunde’, eine weitere Ratssitzung in der Einigkeit erzielt werden muss. Für die Stadtverwaltung bedeutet das eine längere vorläufige Haushaltsführung, in der viele notwendige Ausgaben schwierig sind. Verständlich also, dass man darauf bedacht ist, bereits im ersten Anlauf eine Mehrheit für den vorliegenden Haushaltsentwurf zu generieren.

Es wird gerungen, manchmal gestritten und so manche Sitzung zieht sich über viele Stunden. Das war auch in diesem Jahr nicht anders. Am Ende berichten wir über die Sitzungen, fügen Zitate ein, um die verschiedenen Positionen sichtbar werden zu lassen und schreiben, wie die Abstimmungsergebnisse waren. In diesem Artikel möchten wir unseren Lesern aber einmal möglichst verständlich aufzeigen, welche Mehrheiten im aktuellen Rat überhaupt möglich sind, wenn keine Einigkeit herrscht. Ganz zum Schluss gehen wir auch noch darauf ein, wie Enthaltungen sich auswirken und wie ‘anders’ eine Mehrheit zustande kommen kann, wenn sich sehr viele Ratsmitglieder enthalten.

Mögliche Ratsmehrheiten Wahlperiode 2020 bis 2025

Der Rat besteht mit dem Bürgermeister, der im Rat stimmberechtigt ist, aus 49 Mitgliedern, die sich wie folgt in Stimmen aufteilen:

  • 1 Stimme Bürgermeister (CDU)
  • 18 Stimmen CDU
  • 10 Stimmen Grüne
  • 7 Stimmen SPD
  • 6 Stimmen BmU
  • 2 Stimmen FDP
  • 2 Stimmen Linke
  • 2 Stimmen AfD
  • 1 Stimme fraktionsloses Einzelmandat

Um einen Beschluss zu fassen, genügt die einfache Mehrheit. Wenn alle 49 Ratsmitglieder anwesend sind und sich niemand bei der Abstimmung enthält, wären das 25 Stimmen

Nicht immer, aber sehr häufig, stimmen Fraktionen einheitlich ab. Aber wie kommen Mehrheiten im aktuellen Rat zustande, vor allem, wenn viele den zu fassenden Beschluss kritisch sehen? Wer kann mit wem erreichen, einen mehrheitlichen Beschluss zu fassen?

CDU, mit 18 Mitgliedern stärkste Fraktion

Als stärkste Fraktion mit 18 Ratsmandaten und der Stimme des Bürgermeisters (BM) hat die CDU die meisten Möglichkeiten Mehrheiten zu bilden.

  • CDU (18) + Grüne (10): Eine eher selten anzutreffende Mehrheit wären CDU und Grüne, die – auch ohne die Stimme des Bürgermeisters – schon auf 28 Stimmen kämen, denn die Grünen sind in dieser Wahlperiode zweitstärkste Fraktion.
  • CDU (18) + SPD (7): Auch mit der drittstärksten Fraktion SPD erreicht die CDU – auch ohne die Stimme des Bürgermeisters – die einfache Mehrheit von 25 Stimmen.
  • CDU (18) + BmU (6): Die BmU ist viertstärkste Fraktion. Aber um allein der BmU eine einfache Mehrheit zu erreichen, wäre die Stimme des Bürgermeisters hier notwendig.
  • CDU (18) + FDP (2) + Linke (2) + AfD (2): Gesetzt den Fall, dass weder Grüne, noch SPD oder BmU den Beschluss unterstützen wollen, kann die CDU immer noch mit der FDP, den Linken, der AfD und entweder der Stimme des Bürgermeisters oder des fraktionslosen Ratsmitglieds die einfache Mehrheit erreichen.

Grüne, mit 10 Mitglieder zweitstärkste Fraktion

Bei der zweitstärksten Fraktion wird die Mehrheitsbildung schon schwieriger.

  • Grüne (10) + CDU (18): Wie bei der CDU dargestellt, bilden Grüne und CDU eine komfortable Mehrheit von 28 Stimmen, wenn sie einmal einer Meinung sind.
  • Grüne (10) + SPD (7) + BMU (6) + Linke (2) – alternativ FDP (2), AfD (2) Für eine einfache Mehrheit von 25 Stimmen ohne CDU wären die Stimmen von SPD, BmU und einer kleinen Fraktion notwendig.

Hier wird sichtbar, dass die zweitstärkste Fraktion ohne entweder die Stimmen der CDU oder der SPD eigentlich keine Chance hat, auch nur einen einzigen Beschluss zu erwirken, der nicht von CDU oder SPD unterstützt wird. Ohne die Stimmen von CDU oder SPD kämen die Grünen selbst mit allen anderen Stimmen (FDP, Linke, AfD, Einzelmitglied) nur auf 23 Stimmen. Selbst wenn der Bürgermeister hier ungewöhnlicher Weise entgegen CDU und SPD abstimmen würde, würde es mit 24 Stimmen nicht zu einer einfachen Mehrheit reichen.

SPD, mit 7 Mitglieder drittstärkste Fraktion

Je weniger Mitglieder eine Fraktion hat, desto schwieriger die Mehrheitsbildung (mind. 25 Stimmen) für einen Beschluss.

  • SPD (7) + CDU (18): Wie bei der CDU schon aufgezeigt, können beide Fraktionen eine einfache Mehrheit bilden.
  • SPD (7) + Grüne (10) + BmU (6) + Linke (2) – alternativ FDP (2) oder AfD (2). Für die einfache Mehrheit von 25 Stimmen, bräuchte die SPD die zweit- und viertstärkste Fraktion sowie eine der kleineren Fraktion.

BmU, mit 6 Mitglieder viertstärkste Fraktion

Welche Möglichkeiten hätte die viertstärkste Fraktion für einen Beschluss, der ihr vielleicht wichtig ist, Mehrheiten zu generieren. Welche Fraktionen müsste sie überzeugen?

  • BmU (6) + CDU (18) + Bürgermeister: Ohne die Stimme des Bürgermeisters wäre es nicht einmal möglich allein mit der CDU Fraktion auf eine einfache Mehrheit zu kommen.
  • BmU (6) + Grüne (10) + SPD (7) + Linke (2) – alternativ FDP (2) oder AfD (2). Die BmU bräuchte, wenn die CDU einen Beschluss nicht unterstützt, die zweit- und drittstärkste Fraktion, sowie eine der kleinen Fraktionen, um auch eine einfache Mehrheit zu kommen.

Enthaltungen und ihre Bedeutung, bzw. Auswirkung

Gesetzt den Fall, die komplette CDU Fraktion und der Bürgermeister enthalten sich bei einer Abstimmung. Damit würden 19 von 49 Stimmen entfallen. Von den verbleibenden 30 Stimmen, wären dann mindestens 16 Stimmen notwendig, damit der Beschluss gefasst werden kann, denn ein ‘Patt’, also ein Gleichstand von 15:15 Stimmen würde bedeuten, dass der Beschluss abgelehnt ist.

In diesem Beispiel könnte die Mehrheitsbildung so aussehen:

Die Stimmen der zweit- und drittgrößten Fraktionen Grüne (10) und SPD (7) wären eine Mehrheit. Auch die Stimmen der zweit- und viertstärksten Fraktionen Grüne (10) und BmU (6) würden noch eine Mehrheit bilden. Genauso Grüne (10) und die drei kleinsten Fraktionen (2+2+2). Ohne die Stimmen der Grünen wäre in diesem Beispiel jedoch überhaupt keine Mehrheitsbildung möglich.

Wird eine Beschlussfassung unmöglich, wenn sich mehr als die Hälfte der Ratsmitglieder enthält? Der Rat ist in der Regel beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Ratsmitglieder anwesend sind. Gilt also folglich ein Beschluss auch gefasst, wenn sich zum Beispiel 26 von 49 Mitgliedern enthalten und von den verbleibenden 23 Mitgliedern 13 mit Ja stimmen?

Wir haben bei dieser nicht ganz einfachen Fragestellung den Bürgermeister gefragt und die Antwort lautet: Ja. Selbst, wenn alle Ratsmitglieder bis auf eines sich enthalten und dieses eine Mitglied stimmt für den Beschluss, wäre der Beschluss gefasst. Außennahmen sind gesetzlich geregelt, denn für bestimmte Entscheidungen ist eine (qualifizierte) Mehrheit der Ratsmitglieder erforderlich. Das sind wenige Ausnahmen, die beispielsweise die Regelung von Geschäftsbereichen der Verwaltung betreffen.


Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*