Mahnwache für die Ukraine auf dem Verdun Platz in Hochdahl

© Steffen Krüll

Rund 350 Erkratherinnen und Erkrather, unter ihnen auch zahlreiche mit ukrainischen Wurzeln, versammelten sich am Montagabend, um ihrer Solidarität mit den Menschen in dem von Putins Truppen überfallenen Land zu bezeugen.

Aufgerufen hatten die Fraktionen des Stadtrates und der Bürgermeister zu dieser Solidaritätsbezeugung mit den Opfern von Putins Angriffskrieg.

Blau-Gelb Flaggen, Blumenkränze und Friedenslichter

„Frieden für Europa“ – so der Schriftzug auf dem blau-gelben Banner, hinter dem das Mikrofon stand, an das im Laufe der Kundgebung Ukrainisch-stämmige Frauen und Männer traten. Sie baten um konkrete Hilfe für ihre Verwandten, Freunde und Bekannten, um die sie seit Donnerstagmorgen bangen. Auch ihren Dank drückten sie aus, dass sich Europa und Deutschland nicht nur mit Worten solidarisch zeigt, sondern Putin als Aggressor mit tiefgreifenden Sanktionen belegt und nun auch Waffen für die Verteidigung gegen den Aggressor Putin liefert.

Reden von BM Schultz und ehemaligen EU-Parlamentarier Dr. Klaus Hänsch

Bürgermeister Schultz drückte in seiner Ansprache zu Beginn nicht nur seine Fassungslosigkeit darüber aus, dass Krieg in Europa herrsche. Er fand auch klare Worte: „Doch die Nachrichten von Protesten, Mahnwachen und Demonstrationen auf der ganzen Welt zeigen uns auch, dass wir nicht nur sprachlos zuschauen. Die spürbare Betroffenheit und große Solidarität geben Hoffnung und Zuversicht. So sind auch wir heute zusammengekommen, um gemeinsam ein sichtbares Zeichen gegen den Krieg und für ein friedliches Miteinander zu setzten, im Geiste vereint mit Millionen Menschen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt.“ Er räumte ein, dass man unterschiedlicher Auffassung darüber sein könne, welche politische Antwort auf diese schreckliche Taten nun die richtige ist und fügte hinzu: „Wir sind uns alle darin einig, dass Gewalt keine Lösung und keine Antwort ist.“ Ein spontaner, anhaltender Applaus der Zuhörenden zeigte, dass er mit dieser Einschätzung richtig lag. Schultz schloss mit den Worten: „So stellt sich auch die Bundesrepublik an die Seite der Ukraine und steht ein für die europäischen Werte, wie Respekt, Toleranz und Freiheit. Denn Europa bedeutet Vielfalt. Europa bedeutet Freiheit. Europa bedeutet gegenseitige Achtung der Völker und des Völkerrechts. Wir stehen hier für die Stärke des Rechts und nicht für das Recht des Stärkeren. Werte für die wir ebenso einstehen wie für die Menschenrechte. Und Freiheit, die es ohne unsere Sicherheit nicht gibt“, so sein Fazit, bevor er das Mikrofon an den Ex-Präsidenten des Europäischen Parlaments (von 1994-97, Anmerk. der Redaktion), Dr. Klaus Hänsch weiter reichte.

Dieser betonte, dass er „nicht so sehr als ehemaliger Europapolitiker, sondern für das Nachbarland Ukraine dort stehe.“ Er bekannte weiter: „Ich rede als Erkrather Bürger für meine ukrainischen Nachbarn, die ich in dieser Stadt habe, und die auch die ersten Flüchtlinge aus Kiew aufgenommen haben. Ich begrüße sie ausdrücklich und sehr herzlich mit ihren Vertretern, in dieser Familie Stocher“. Hänsch drückte seinen Stolz auf „alle Fraktionen im Rat und den Bürgermeister“ aus, die zu dieser Mahnwache aufgerufen hätten. „Wir stehen hier alle gegen das Verbrechen eines Angriffskriegs in Europa, von dem wir alle ja geglaubt haben, dass so etwas in unserem Europa nicht mehr möglich ist und nicht mehr vorkommen kann.“ Er wies auf die prekäre Situation der Frauen und Kinder hin, die in den Kellern und U-Bahnschächten und Zufluchten in Kiew und in anderen Orten der Ukraine ausharren würden. „Und wir stehen, meine Damen und Herren, dafür, dass die flüchtenden Frauen und Kinder im Westen Europas, bei uns und anderswo, eine offene und sichere Zukunft finden, wenn das nötig ist. (hier brandete Applaus auf) Wir stehen alle an der Seite dieses großen, europäischen Volkes der Ukrainer. Und wir stehen alle dafür, dass Freiheit und Demokratie, Gesetz und Recht für die Ukraine wie für jedes andere Land in Europa eine Zukunft haben müssen. (wieder Applaus). Und, liebe Freunde, für diese Zukunft kämpft das Volk in der Ukraine mit der Waffe in der Hand und mit bemerkenswerter Tapferkeit im Herzen.“

Hänsch begrüßte ausdrücklich und voller Zustimmung, dass die Bundesregierung und der Bundeskanzler Olaf Scholz und der Deutsche Bundestag der Wiederkehr eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges in Europa mit einer neuen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik entgegentreten werden. (Applaus) Das, meine Damen und Herren, ist auch das Ende mancher deutschen Illusion und manchen deutschen Selbstbetruges in der Vergangenheit. “Ich begrüße das ausdrücklich und mit Grund, gerade auch als ehemaliger Europa-Politiker.” Der pensionierte Europa-Politiker mahnte, dass der Diktator Wladimir Putin nicht nur die Ukraine als selbstständigen Staat beseitigen, sondern auch die junge Demokratie in der Ukraine zerstören wolle. Man solle sich nicht der Illusion hingeben. Sollte Putin in der Ukraine Erfolg haben, werde er die offensichtlich politische und militärische Schwäche Europas nutzen und sich nach der Ukraine auch nach Estland, Lettland und nach Polen wenden und dort das Gleiche anrichten, was er in der Ukraine anrichtet. “So viel ist klar, Putin darf seinen verbrecherischen Krieg nicht gewinnen. Er darf ihn nicht gewinnen, weil wir wollen, dass die Ukraine ihren Weg zu Freiheit und Demokratie fortsetzen kann. Dieses Europa redet nicht nur solidarisch, es handelt auch entschlossen und geschlossen.” Hänsch bekannte, dass er es nicht erwartet habe, dass es der Europäischen Union so schnell gelingen würde und so gemeinsam, so starke Sanktionen nicht nur zu beschließen, sondern auch durchzusetzen. Er mahnte aber auch, dass diese Sanktionen auch durchgehalten werden müssten. „Mehr Monate, als wir uns das heute vorstellen können.” Und auch, wenn es teuer werde. „Und das ist dann der Preis der Freiheit und der Demokratie in der Ukraine, in Deutschland und in ganz Europa.“

Wenn der Krieg ein Gesicht bekommt

Nachdem Bürgermeister Schultz sich an Erkrather, die Verwandte und Freunde in der Ukraine hätten, oder gebürtig von da kämen, wandte gern diesen Raum zu nutzen, ergriff zunächst Alexandr, der seit langem in Erkrath lebt, das Wort. „Ich war noch vor einer Woche in der Ukraine. Ich bin nur zufällig in Deutschland, weil ich einen MRT-Termin für mein kaputtes Knie habe“, sagt er und ein schwerer Seufzer entwich ihm. Er bekennt, dass es ihm schwerfalle, in Worte zu fassen, was in ihm vorgehe. „Wenn ich Ihnen die Bilder zeigen würde, die mich seit Donnerstag erreichen. Doch die möchte ich Ihnen nicht zumuten.“ Dann setzt er mit Nachdruck hinzu: „Wenn die Ukraine fällt, geht er (Putin, Anm. der Redaktion) weiter. Wenn er könnte, würde er auch noch die Aufhebung der Teilung Deutschlands rückgängig machen“, mahnt er. Dann lobt er die ukrainischen Politiker: „Alle stehen mit der Waffe in der Hand und verteidigen die Städte, keiner sitzt im Bunker. Den Willen des ukrainischen Volkes kann man nicht brechen.“

Als nächstes ergreift eine ältere Frau, der man anmerkt, dass ihr die Tränen im Hals stecken, das Mikro. Sie sagt, dass sie eine geborene Russin sei, aber: „Heute sage ich, ich komme aus der Ukraine. Sie haben den Frieden verdient.“ Und dann kullern die Tränen, während sie sich noch bei Deutschland für die Unterstützung bedankt.

Mit Alexandra Storchens tritt die junge Frau ans Mikrofon, deren Familie Dr. Hänsch als die erwähnt hat, die die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben. Sie bedankt sich bei den Anwesenden, dass sie da seien und die Ukraine unterstützen. „Ich würde gern in Erkrath eine Sammlung mit Dingen wie Medikamenten und haltbaren Lebensmitteln organisieren und dann auch den Transport an die polnisch-ukrainische Grenze.“ Sie knüpft nach der Veranstaltung Kontakt zu Dieter Thelen vom Freundeskreis für Flüchtlinge in Erkrath e.V.. Ein Treffen für den nächsten Tag wird ausgemacht, an dem erkrath.jetzt teilnehmen und berichten wird.

Als zwei junge Frauen nach Alexandra Storchens an das Mikrofon treten und die eine von ihnen ihre Begleiterin als Besucherin aus der Ukraine vorstellt, die gerade zu Besuch bei ihr ist, wird es mucksmäuschenstill auf dem Platz. „Ihr Vater hat ihr am Telefon gesagt: Ich habe Dir 100 € überwiesen, komm nicht zurück. Ich liebe Dich.“ Den Appell auf Ukrainisch, ihr Land zu unterstützen und die Menschen dort nicht allein zu lassen, übersetzt ihre Freundin für die ergriffen zuhörenden Teilnehmer der Mahnwache. Dadurch, dass die junge Frau ihr persönliches Schicksal mit den Teilnehmern der Mahnwache teilt, werden die Schrecken ganz real.

Schweigeminute zum Ende

Zum Schluss ergriff noch einmal Bürgermeister Schutz das Wort und bedankte sich bei allen, die vor der Versammlung das Wort ergriffen hatten. “Wir werden den Menschen, die aus der Ukraine zu uns nach Erkrath kommen, Zuflucht zu geben.“ Nach einer Schweigeminute, die auf seine Einladung hin, auch für ein Gebet für Ukrainer genutzt konnte, beendete Christoph Schultz die emotionale Mahnwache.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*