Die am Montag zum Orange Day geplante Mahnwache „Stoppt Femizide“ zog zahlreiche Besucher an. Gemeinsam wollen sie sich einsetzen, um Gewalt an Frauen und Mädchen zu stoppen.
155 Stühle mit orangefarbenen Teelichtern waren links und rechts neben dem Eingang zum Kreishaus aufgebaut. Infostände waren im Innenhof, in dem sich die Besucher drängten, aufgebaut und Treppe und Eingang wurden zur Bühne für die Rednerinnen und Redner. Das waren die Gleichstellungsbeauftragten der Städte und des Kreises. Vertreter des Opferschutzes der Polizei, Landrat Thomas Hendele, Mettmanns Bürgermeisterin Sandra Pietschmann und Eva Maria Düring, Leiterin des Gewaltschutzzentrums des SKFM.
Vor Beginn der Reden gesellten sich Ausschussmitglieder des parallel tagenden Sozialausschuss zu den Teilnehmern der Mahnwache. Landrat Thomas Hendele dankte ihnen später, weil sie trotz anstehender Haushaltsberatungen die Ausschusssitzung unterbrochen hatten, um an der Mahnwache teilzunehmen. Die Mehrzahl der Besucher trug anlässlich des Orange Days einen orangen Schal. Wer ohne gekommen war, konnte bei Vertreterinnen des Frauennetzwerks Mettmann gegen eine Spende von 10 Euro, die dem Frauenhaus zu Gute kam, einen erhalten.
Jana Lihl, Gleichstellungsbeauftrage im Kreis Mettmann, begrüßte die Teilnehmer, erklärte Hintergründe zum Orange Day und untermalte die Wichtigkeit mit Zahlen: „Alle zwei Tage kommt es zu bewussten Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind. Jeden Tag gibt es einen Tötungsversuch an einer Frau und alle vier Minuten wird Gewalt gegen Frauen ausgeübt.“ Man sei zusammengekommen, um der 155 Frauen zu gedenken, die im letzten Jahr starben, weil sie keinen Schutz fanden, als sie Schutz brauchten. Karen Brinker, Gleichstellungsbeauftragte in der Stadt Mettmann betonte, dass den Frauen, die Gewalt erfahren, die Menschenwürde für ein selbstbestimmtes Leben genommen werde und oft auch das familiäre Umfeld die Augen verschließt. „Jeder Mensch, jede Frau, hat ein Recht auf Würde. Diejenigen, die Gewalt anwenden, haben ein tiefliegendes eigenes Problem.“ Erinnern wolle man an diesem Tag auch an die Menschen, die nicht wegschauen, die Zivilcourage beweisen.
„Seit mehr als 30 Jahren setzen wir uns in Deutschland gegen die Gewalt gegen Frauen ein und es hat sich nichts zum Besseren gewendet“, ließ Landrat Thomas Hendele die Teilnehmenden wissen. Das Lagebild des Bundeskriminalamts belege, dass im vergangenen Jahr 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Femiziden geworden seien. 360 Frauen und Mädchen seien dabei gestorben. Es sei wichtig nicht nur am Orange Day an von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen zu denken. „Tragen Sie die Botschaft weiter“, forderte er die Teilnehmenden auf.
Bürgermeisterin Sandra Pietschmann dankte den Gleichstellungsbeauftragten im Kreis für die Organisation der Mahnwache und der zahlreichen Aktionen. Es habe großes Medienecho gegeben. „Wir wollen das Thema aus der Tabuzone holen“, erklärt sie, dass das für sie ein besonderes Anliegen sei. „Hier sollen sich alle Mädchen und Frauen wohlfühlen. Hier ist kein Platz für Gewalt“, macht sie deutlich. Sie spricht den neuen Männlichkeitswahn in den USA an. Die Aussage, die ein rechtspopulistischer Influencer nach Trumps Wahlsieg auf Social Media gepostet hatte „Your body, my choice“ (Dein Körper, meine Entscheidung) sei kein Kavaliersdelikt. NTV berichtete darüber. Solch perfidem männlichen Machtdenkens gälte es, sich laut und deutlich entgegenzustellen.
Fallberichte
Was ’solch perfides, männliche Machtdenken‘ in letzter Konsequenz verursacht, konnten die Teilnehmenden erfahren, als die Gleichstellungsbeauftragten der Städte einige reale Fälle verlasen. Wie etwa den Fall eines Familienvaters in Essen, der seine Frau, während sein 8-jähriger Sohn in der Wohnung war, mit 28 Messerstichen brutal tötete. Ein ähnlicher Fall aus Göttingen und weitere ähnlich grausam gelagerte Fälle folgten. Nicht wenige Besucher der Mahnwache hatte Tränen in den Augen.
Auch Andrea Jarosch und Christoph Voßwinkel vom polizeilichen Opferschutz sprachen zu den Teilnehmenden. Tagtäglich gebe es Gewalt gegen Frauen. Monatlich seien es 100 Fälle. „Die Opfer erleben oft jahrelang Gewalt, bevor sie Hilfe bekommen“, so Jarosch. Die Tötung in der Partnerschaft sei die schlimmste Form, ihr würden Warnhinweise vorausgehen. Kontrollwahn und Besitzdenken etwa. „Wir müssen den Opfern zuhören. Gewalt ist nicht privat“, erklärt Christoph Voßwinkel, dass jeder hinschauen solle, damit es erst gar nicht so weit komme. „Wenn die Polizei Kenntnis erhält, ist die Situation schon eskaliert.“
Den Abschluss der Rednerinnen und Redner machte Eva Maria Düring, Leiterin des Gewaltschutzzentrums im Kreis Mettmann. Die Mahnwache sei nicht nur ein Gedenken der Opfer, man wolle auch ein Zeichen für die setzen, die noch da sind. Gewalt gegen Frauen sei ein gesellschaftliches Problem, das tief verwurzelt in patriarchalischen Strukturen sei. „Femizide sind keine Einzelfälle und es handelt sich dabei um ganz bewusste Morde“, verdeutlichte sie. „Wir sind heute hier und handeln für die, die Angst haben. Stoppt Gewalt.“
Düring berichtete aus dem Beratungsalltag, in dem Gewalt oft im Hintergrund zu Tage träte, weil Frauen annähmen, dass sei etwas, dass sie nicht extra erwähnen müssten. „Unsere Kollegen schauen hin“, erklärt sie. Die Beratung sei ein erster Schritt. Sie machte auch darauf aufmerksam, dass die Annahme ‚eine Frau sei nach der Trennung in Sicherheit‘ ein Fehler sei. „Die meisten Femizide geschehen innerhalb der ersten sechs Monate nach der Trennung.“ Die Berichte machen deutlich, dass wir handeln müssen, so Düring. In Richtung Landesregierung adressierte sie: „Kürzungen gefährden Leben. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Schutzmaßnahmen.“
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