In guten, wie in schlechten Tagen. Mehr als 60 Jahre

von Ria Garcia

Seit 64 lieben sie sich. Seit 60 Jahren sind sie verheiratet. Zahra und Parviz Schoar-Yekta. Foto: Ria Garcia

Am Mittwoch (22. November) feierten Zahra und Parviz Schoar-Yekta ihre Diamantene Hochzeit.

Bürgermeister Christoph Schultz übernahm es persönlich, den Eheleuten Blumen und Glückwünsche der Stadt zu überbringen. Bei Tee und Gebäck ließ er sich aus dem Leben der beiden erzählen, das nicht immer so ‚leicht‘ war, wie jetzt im Alter in ihrer Wohnung in Hochdahl. Ihre Liebe hat bis heute alles überdauert. „Mein Vater ist sehr romantisch. Er vergisst nie einen Muttertag oder den Geburtstag meiner Mutter“, verrät die Tochter.

„Wir waren 16 Jahre alt, als wir uns verliebten. Geheiratet haben wir dann, als wir 20 waren“, erinnert sich ihr Vater. 20 Jahre war er im Iran beim Militär, zuletzt als Oberst. Dann kam die Islamische Revolution, die 1979 zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi und schließlich zum Ende der Monarchie im Iran führte. Ein einziger laut ausgesprochener Gedanke „Wenn Religion regiert haben wir keinen Staat mehr“ brachte Parviz Schoar-Yekta damals für fünf Jahre ins Gefängnis. Er musste Folterungen ertragen und seine Frau wusste lange Zeit nicht, wo er ist. Sie blieb allein, mit damals drei von später vier Kindern und ohne jegliches Einkommen, zurück. Sie war abhängig und konnte ohne die Hilfe von Verwandten weder sich noch ihre Kinder durchbringen. Zeitweise haben die Kinder dann getrennt bei Verwandten gelebt, während Zahra versuchte ihren Mann zu finden. Man hatte ihr gesagt, dass er nicht mehr lebt, aber das glaubte sie nicht und behielt recht. „Ich habe darum gekämpft, dass er nicht getötet wird“, erzählt sie. Als er dann nach fünf Jahren aus der Haft entlassen wurde, hatte er 30 Kilo abgenommen.

Parviz Schoar-Yekta ist nicht gläubig, wenn er sich auch 40 Jahre lang mit den Weltreligionen befasst und gesucht hat, ob eine Religion zu ihm passt. Er hat in Oklahoma studiert, sich dort ein Jahr lang den Buddhisten angeschlossen. Auch mit dem Christentum und dem jüdischen Glauben hat er sich befasst. „Am Ende stellt man fest, dass in jeder Religion auch gelogen wird“, sein Résumé. So hat er seine Kinder mit Zahra auch sehr frei erzogen und es ihnen selbst überlassen, ob sie sich einer Religion anschließen möchten.

Als politisch Verfolgter schließlich nach Deutschland gekommen

Heute lebt keines der vier Kinder der beiden mehr im Iran. Ein Sohn und eine Tochter der beiden sind zuerst ausgereist. Den Sohn führte der Weg über Pakistan. Dort erhielt er einen schwedischen Pass. Heute lebt er in Stockholm, ist Ingenieur für Radarsysteme und mit einer Schwedin verheiratet, mit der er vier Kinder und inzwischen drei Enkelkinder hat. Seine Schwester führte der Weg nach London. Einmal im Jahr, besuchen sich Eltern und Kinder gegenseitig.

„Als wir noch im Iran waren, hatten wir ein einziges Mal die Gelegenheit auszureisen, um die Kinder zu besuchen. Wir nutzten die Gelegenheit und flogen über Dubai nach Schweden“, erinnert sich Parviz Schoar-Yekta. Sie sollten nie wieder zurückkehren. Sie gingen anschließend nach Deutschland und Parviz Schoar-Yekta beantragte 1994 als politisch verfolgter Asyl. „Nach drei Monaten hatten wir die Aufenthaltserlaubnis, nach 8 Monaten einen Reisepass und nach 8 Jahren wurde ich deutscher Staatsbürger.“

So einfach und schnell nach der Ankunft hier alles klappte, so schwer schien es für ihn beruflich. Mit knapp über 50, zwar studiert, aber Berufserfahrung ausschließlich beim Militär, waren seine Aussichten nicht gut. „Als Lagerfacharbeiter lehnte man mich ab, weil ich zu alt sei“, erzählt er. Die Familie lebte in Neuss und schließlich erhielt der Vater die Möglichkeit als Taxi-Fahrer anzufangen. Das hat er bis zum Renteneintritt und darüber hinaus gemacht. „Die haben ihn immer wieder gefragt, ob er nicht vertretungsweise einspringen kann, das macht er heute noch manchmal“, erzählt seine Tochter, die Erzieherin ist und in Erkrath lebt. Das hat am Ende auch Zahra und Parviz Schoar-Yekta nach Erkrath geführt. Sie suchten eine Erdgeschosswohnung, weil Zahra aufgrund von Knieproblemen nur noch schwer Treppensteigen konnte und kamen dann schließlich zu ihrer Tochter nach Erkrath.

„Ich hätte auch nach Amerika gehen können“

Parviz Schoar-Yekta, der einst in Oklahoma studiert hat, hätte auch nach Amerika gehen und dort Asyl beantragen können, erzählt er uns. „Ich mag Amerika aber nicht“, erklärt er, warum die Wahl auf Deutschland fiel. Hier lebt, neben der Tochter in Erkrath, auch der zweite Sohn, der – wie der erste – ebenfalls Ingenieur ist und in Bochum wohnt.

Zarah und Parviz Schoar-Yekta haben inzwischen von ihren vier Kindern insgesamt zehn Enkelkinder und drei Urenkel. In den Iran können sie bis heute nicht wieder reisen. Parviz hat noch Familie im Iran. „Im kommenden Jahr treffen wir uns zu einer großen Familienfeier in der Türkei“, freut er sich jetzt schon. Rund 30 Familienmitglieder werden dort zusammenkommen. „Für eine Reise in die Türkei benötigen sie vom Iran aus kein Visum“, erfahren wir von ihm. Ein wenig wehmütig erinnert er sich daran, dass man vom Iran vor der Revolution ohne Visum in 180 Länder reisen konnte. „Damals wollten alle, dass der Schah geht. Heute hätten sie ihn gerne wieder.“ Wie sehr sich sein ehemaliges Heimatland verändert hat, macht er an einem Beispiel deutlich: „Vor der Revolution war der Wechselkurs von 1 Dollar zu 65 Rial (iranische Währung). Heute bekommt man für 1 Dollar inzwischen 42 tsd. Rial.“ Vor der Revolution sei der Iran ein freies Land gewesen, in dem es Diskotheken, Kinos und viele mehr gab. Nach der Revolution hätte es nur noch Moscheen gegeben.

„Ich habe großen Respekt vor Ihrem Lebenslauf und die Würde, die Sie sich dabei erhalten haben“, zeigte sich Bürgermeister Christoph Schultz bei seinem Besuch beeindruckt. Die Diamantene Hochzeit wird im Iran eigentlich nicht gefeiert, sagt uns die Familie. Aber hier in Deutschland gäbe es am Abend dann doch eine kleine Feier mit den in Deutschland lebenden Kindern und Enkeln.

Foto: RG

Seit dem durch Polizeigewalt herbeigeführten Tod der kurdischstämmigen Iranerin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 gibt es im Iran landesweite Proteste gegen die autoritäre Regierung des Staates. Die Proteste halten an und immer mehr Frauen gehen ohne Kopftuch auf die Straße. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete kürzlich über die Entwicklung im Iran.

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