HOK: Droht die ‘Starke Gemeinschaft’ zu zerbrechen?

von Ria Garcia

Heute Abend kommt der Haupt- und Finanzausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. Auf der Tagesordnung: Die von PwC erarbeiteten Sparvorschläge. Institutionen und Vereine sind aufgeschreckt.

HOK, Haushaltsoptimierungskonzept, ist der neue Arbeitstitel für das freiwillige Haushaltssicherungskonzept, das der Rat bei der Verabschiedung des Haushalts 2022 anstelle einer Grundsteuererhöhung beschlossen hat. Seit die Sparvorschläge der beauftragten Beratung Pricewater Coppers (PwC) im Ratsinformationssystem veröffentlicht wurden, herrscht Aufregung in der Stadt.

Der Auftrag an PwC

Nicht alle Ratsmitglieder waren mit der Beauftragung der Beratung, die in einer Situation, in der es eigentlich ums Sparen geht, mit 100 Tsd. Euro zu Buche schlägt, einverstanden. Dennoch wurde dies mehrheitlich beschlossen. Der Auftrag an die Beratung lautete:

“Es ist ein Haushaltsoptimierungskonzept zu erarbeiten, das den Planungszeitraum bis 2030
umfasst und in dem ab 2025 ein Haushaltsausgleich anzustreben ist. Auf Steuererhöhungen
soll möglichst verzichtet werden.”

In der Präsentation von PwC heißt es vorab: “Die Ergebnisse der PwC-Analyse haben drei wesentliche Risikoebenen mit Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt identifiziert. Diese stehen im Zusammenhang mit den Neubauprojekten (Abschreibungen und Finanzierungskosten) sowie mit der Energiepreisentwicklung.

Einige Ratsmitglieder fordern schon geraume Zeit die Bauprojekte auf den Prüfstand zu stellen und sich vielleicht auch von einem Neubauprojekt zu verabschieden, weil die Kosten ins Uferlose steigen. Die Präsentation von PwC zeigt eigentlich sehr deutlich, dass sich die Stadt nicht alle teuren Bauprojekte, die derzeit geplant werden, in der geplanten Form leisten kann.

Ein ‘weiter so’ hätte für die Stadt Folgen, wie unter den Schlussfolgerungen von PwC zu lesen ist: “Für die Jahre 2024 und 2025 löst der prognostizierte prozentuale Eigenkapitalverzehr ohne Einsparmaßnahmen die verpflichtende Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts aus. Unter Beachtung identifizierter und noch zu beschließender Einsparmaßnahmen kann dies unter Umständen vermieden werden.

Zeit verloren, rechtzeitig die Realsteuern anzuheben?

Eine Handlungsempfehlung von PwC mutet zynisch an, wenn man bedenkt, dass der Verzicht auf die moderate Anhebung der Grundsteuer erst zur Beauftragung der Beratung geführt und 100 Tsd. Euro zusätzliche Kosten verursacht hat. Mit dem Beschluss ist ein ganzes Jahr verloren gegangen, in dem die Stadt die Einnahmeseite hätte verbessern können.

PwC schreibt: “Eine Kombination aus intensiven Konsolidierungsbemühungen, eine auf die finanziellen und kapazitären Möglichkeiten der Stadt angepasste Investitionsstrategie sowie der Potentialhebung aus den zahlreichen Einzelhinweisen dürfte die Stadt in die Lage zum Haushaltsausgleich versetzen. Eine Anhebung von Realsteuern ist u. E. ebenfalls in die Erwägungen mit einzubeziehen.” (Als Realsteuern bezeichnet man die Grund- und die Gewerbesteuer.)

Deutliche Härten für die Bevölkerung?

Bereits bis zur zehnten Seite der PwC Präsentation lässt sich resümieren, dass die Stadt sich die drei Bauprojekte Campus Sandheide, Gymnasium Erkrath sowie die Feuer- und Rettungswache Clever-Feld in der bisher geplanten Form nicht ‘gleichzeitig’ leisten kann und das PwC zu der Sicht kommt, dass eine Anhebung der Realsteuerung offensichtlich dennoch nötig erscheint. Unter den Schlussfolgerungen ist auch zu lesen “Die priorisierten politischen Maßnahmen würden theoretisch einen signifikanten Entlastungsbeitrag leisten, würden aber deutliche Härten für die Bevölkerung darstellen.

Die ‘Einsparpotentiale’, die im weiteren Verlauf zum Teil aufgelistet werden, bergen jede Menge ‘sozialen Sprengstoff’ und es stellt sich unwillkürlich die Frage:

Wäre der Beschluss die Grundsteuer anzuheben sozialer gewesen?

Betroffen wären mit ‘aller Wucht’ Senioren, Menschen unzureichendem Einkommen, Kinder und Jugendliche. Zur Diskussion werden u.a. die Zuschüsse für die Begegnungsstätten (AWO, Johanniter, Caritas) gestellt. Das könnte früher oder später das Aus für die Begegnungsstätten bedeuten. Auch der Zuschuss der Tafel könnte gestrichen werden. Gleich mehrfach betroffen wäre der SKFM, denn die Zuschüsse für das Sozialkaufhaus Rundum, für das Projekt Zündstoff, dass Schulverweigerern die Wiedereingliederung ermöglicht und der Personalkostenzuschuss für Frühe Hilfen und Familienhebammen. Auch der Personalkostenzuschuss der Diakonie in diesem Bereich wäre betroffen und die Diakonie müsste auch noch damit rechnen, dass in einer Zeit, in der viele Menschen zu uns flüchten, die Flüchtlingsbetreuung von der Stadt gekündigt wird, denn auch das soll geprüft werden. Geprüft werden soll auch der Einsatz des Sicherheitsdienstes in den Flüchtlingsunterkünften, der wegfallen könnte. Auch die Sportvereine müssen um ihre Zuschüsse bangen und die Singpause in Grundschulen könnte zu Ende gehen.

Kommentar: Alles in allem liest sich dieser Teil der Sparvorschläge wie eine ‘soziale Bankrotterklärung für die Gesellschaft’. Die Auswirkungen sind kaum abzusehen.
Mit dem Aktionstag der Wirtschaft sind in den letzten zehn Jahren mit Hilfe der Wirtschaft viele Projekte umgesetzt worden, die die Vereine und Organisationen allein nicht hätten bewältigen können. Daraus ist eine ‘Starke Gemeinschaft’ entstanden. Droht diese nun zu zerbrechen? Wenn alle Zuschüsse gestrichen würden, würde es vieles in dieser Stadt künftig nicht mehr geben.

Neben diesen ‘grausam anmutenden’ Sparvorschlägen gibt es weitere, wie etwa eine künftige Parkraumbewirtschaftung, wie sie in anderen Städten erfolgt. Auch die Gebühren für die Musikschule könnten steigen. Vorgeschlagen wird auch der Verzicht der Nachpflanzung von Straßenbäumen, wenn diese abgestorben sind, was mit Blick auf die notwendige Klimaanpassung aufgrund zunehmender Hitzeperioden Auswirkungen aufs Mikroklima der Stadt haben könnte.

188 Sparvorschläge wurden von der Verwaltung als sogenannte ‘One Pager’ (Einzelseiten) erstellt. Diese sind im Ratsinformationssystem veröffentlicht. Klimaschutzaspekte bei investiven Baumaßnahmen könnten künftig weniger berücksichtigt werden, wenn sie ‘nicht wirtschaftlich’ sind. Auch könnte ein Standort der Stadtbücherei geschlossen werden. Die Kursgebühren der Volkshochschule und die Ticketpreise im Kulturbereich könnten steigen.

PwC hält die Realisierung aller drei Großbauprojekte (Campus Sandheide, Feuerwache Cleverfeld und Neubau des Gymnasiums in Alt-Erkrath) für unrealistisch und warnt vor der Zinsentwicklung in Investitionskrediten. Die Präsentation von PwC ist ebenfalls im Ratsinformationssystem veröffentlicht.

Wann kommen die Bürger zu Wort?

Während der Erarbeitung der Sparvorschläge, kamen auch Vorschläge von Bürgern, die PwC mit ausgewertet hat. Bündnis90/Die Grünen hatten eine frühzeitige Beteiligung beantragt, konnten sich aber nicht durchsetzen. Auch ein Antrag der BmU fand im letzten Haupt- und Finanzausschuss keine Mehrheit. In welchem Umfang in der heutigen Sitzung auch Bürger zu Wort kommen, ist noch nicht klar.

Am 8. September 2022 übermittelte die BmU den Redaktionen eine Stellungnahme, die wir hier einfügen:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schultz,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) wird Bürgerinnen und Bürgern sowie der Politik am Dienstag, den 27.09.2022 ab 17:00 Uhr in einer öffentlichen Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses in der Stadthalle Erkrath<https://erkrath.ratsinfomanagement.net/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZcmVpYXZ2P-Fukq_cU6WmA4> einen Bericht über mögliche Sparpotentiale vortragen, welche in den kommenden Jahren im Rahmen eines Haushaltsoptimierungskonzepts (HOK) umgesetzt werden sollen. Wir erwarten darin zum Teil wichtige aber auch schwere Maßnahmen für die Erkrather Bevölkerung, die erklärt werden möchten.
Wir, die Bürger mit Umweltverantwortung (BmU), sehen es als Befürworter einer auskömmlichen Haushaltsführung gerade auch angesichts der auf die Stadt zukommenden, teilweise schon eingetroffenen, millionenschweren Nachzahlungen für Energiekosten, als ein Gebot des Respekts gegenüber Bürgerinnen und Bürgern an, diese in der Sitzung noch vor der Politik zu Wort kommen zu lassen.
1) Wir beantragen deshalb zur Geschäftsordnung, direkt nach erfolgter Berichterstattung von PwC, eine Sitzungsunterbrechung, damit sich Bürgerinnen und Bürger hierzu äußern dürfen.
2) Zeigt sich in der Sitzungsunterbrechung (im HFA am 27.9.) ein größerer Bedarf der Aussprache durch die Bürgerschaft, regt die BmU eine eigene Bürgerversammlung an. Damit sich die Bürgerinnen und Bürger ein Bild machen können, wird das Gutachten zusätzlich zum Ratsinformationssystem <https://erkrath.ratsinfomanagement.net/ auf der Webseite der Stadt an prominenter Stelle veröffentlicht.
Die BmU würde es begrüßen, wenn dies perspektivisch auch zu einem zukünftigen Bürgerhaushalt in Erkrath führte.
Zudem appelliert die BmU an alle Fraktionen, während der Bürgerversammlung allein die Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen zu lassen und nur als Zuhörer zu agieren, um ein möglichst unabhängiges Bild der Bürgermeinungen zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Osterwind, Christian Ritt und Fraktion

1 Kommentar

  1. Erkrath hatte immer seine eigene Art der Stabilität und hatte nicht nur mit der kommunalen Neugliederung – man könnte es so sagen – sichtbare Probleme auf sich zukommen lassen. Ja, es war vor ewigen Zeiten “eine ‘Starke Gemeinschaft’ entstanden”, aber – wir wissen – mit einem “wir schaffen das” ist es nicht allein getan. Ein Bekannter würde jetzt vllt. sagen: “Die stöhnen auf hohen Niveau!”, es Erkrath gegenüber anderen Orten sehr gut geht, da noch viel Spielraum ist UND wenn die Erkrather etwas näher zusammenrücken, dann schafft es Erkrath auch. Der Zusammenhalt war und ist die Stärke der Stadt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*