Ganz großes Schauspiel im Lokschuppen

von Ria Garcia

Nicht abebben wollender Applaus belohnte die Darsteller des Düsseldorfer Schauspielhauses am Ende für die gelungene Inszenierung Johanna (to go). Foto: Lutz Wulfestieg

Mit Johanna (to go) präsentierte sich das Düsseldorfer Schauspielhaus bereits zum dritten Mal in seinem ‚Reiseformat‘ im Lokschuppen und beeindruckte das Publikum, das die Darbietung mit nicht enden wollendem Applaus belohnte.

Wenn das Düsseldorfer Schauspielhaus nach Erkrath kommt, sind die Karten für die Vorstellung oft schnell vergriffen. 150 Plätze gibt es und anders als bei den beiden vorangegangenen Gastspielen gab es in dieser Woche am Dienstag und Mittwoch gleich zwei Vorstellungen. Wieder einmal zeigte sich der Lokschuppen als Chamäleon, das für die unterschiedlichsten Vorstellungen von Museumstagen, über Ausstellungen wie bei der Erk@Art oder für den Jazz-Sommer und Chorauftritte immer wieder die passende Location bietet. Eben auch, oder vielleicht sogar ganz besonders, fürs Schauspiel.

Ab 19.30 Uhr war Einlass für alle, die ihre vorbestellten Tickets noch abholen und bezahlen mussten. Aber auch viele andere kamen früher, obwohl das Stück erst um 20 Uhr begann. Draußen vor dem Eingang kam man ins Gespräch und so hörten wir, dass hier ‚Wiederholungstäter‘ dabei waren. „Ich habe bisher alle ‚to go‘ Inszenierungen gesehen“, erzählte ein junger Mann. Nach Einlass warteten dann im hinteren Teil des Lokschuppens (die Bühne war vorne im Torbereich aufgebaut) Getränke und Knabbereien. Stehtische luden zum Smalltalk ein und sollten auch nach dem Stück noch für Gespräche mit den Schauspielern dienen.

Das Stück Johann (to go) und die Schauspieler

Bevor das Stück begann, erfuhren die Zuschauer, dass auch das Schauspielhaus vom Streik und darüber hinaus von Krankheitsfällen betroffen war, sodass zwei ‚taufrische‘ Techniker einspringen mussten, die das Stück bisher nicht begleitet hatten und man im Vorfeld um Entschuldigung bat, falls es zu kleineren technischen Pannen käme. Zu denen kam es, zumindest für das Publikum wahrnehmbar, nicht. Alles schien perfekt, selbst die Souffleuse / der Souffleur war fast ‚arbeitslos‘. Ein einziges Mal – und das dürften auch nur die Zuschauer in den ersten beiden Reihen wirklich bemerkt haben – musste sie / er – drei oder vier Worte für die nächste Textpassage ‚zuflüstern‘.

Das Stück begann mit einer Szene, in der Johanna ihr Schicksal offenbart wurde. In einer Mischung aus Schauspiel und Videoinszenierung wurde die kleine Bühne zum großen Erlebnisraum, was sich auch durch das weitere Stück zog. Das Publikum wurde in dieser ersten Szene ‚mit Johanna intim‘, konnte sich in die Figur hineinversetzen und Caroline Cousin verlieh Jeanne d’Arc ein Präsenz, die die Zuschauer vom ersten Moment an mitnahm. Johanna, die die Einsamkeit der Berge in der sie ihre Herde hütete, dem geselligen Leben vorzog machte dem Vater, der gerade ihre Schwestern verheiraten wollte, Sorge. Wie alle anderen Schauspieler – außer Caroline Cousin, die die Johanna spielte – trat Jürgen Sarkiss in verschiedenen Rollen auf. Er war Thibaut d’Arc (Johannas Vater), Graf Dunois, Bastard von Orléans und Talbot, Feldherr der Engländer. Der Rollenwechsel gelang allen eindrucksvoll. In den Anfangsszenen spielten Fnot Taddese in der Rolle des Raimond, Johannas Vertrautem (später als Agnes Sorel, Karls Geliebte und Herzog Philippe von Burgund zu sehen) und Moritz Klaus als Bertrand, ein Landmann (später auch als La Hire, französischer Offizier und Lionel, englischer Anführer) eine Rolle.

Als Bertrand einen Helm vom Markt mitbringt, von dem er eigentlich nicht genau weiß, wie er zu ihm kam – eine Alte gab ihn ihm – nimmt das Schicksal seinen Lauf …

Der König / die Königin – Frankreich für die Krone und nicht für die Engländer

Markus Danzeisen verkörperte perfekt die Rolle von Karl dem Siebenten, König von Frankreich, der keine Führungsqualitäten besaß und der Königsmutter Isabeau. Außerdem spielte er Montgomery, den Walliser. Überzeugend schlüpfte er in die unterschiedlichen Rollen. Als König beeinflussbar durch seine Geliebte Agnes Sorel scheint er ‚Spielball‘ im Geschehen und mehr Opfer als Führer. In der Rolle der Königsmutter spielt er das Intrigenspiel, dass sich gegen ‚einen der Söhne‘ richtet.

Großes Schauspiel auf kleiner Bühne

Schauspielerisches Können und moderne Technik mit Videoinszenierungen als Teil des Stücks holen ‚große Stücke‘ auf kleine Bühnen und das ohne Abstriche. Der Rahmen mit 150 Zuschauern im Lokschuppen und die eingesetzte Technik verliehen dem Stück und auch den Schauspielern, die in ihren Rollen glänzten, eine Präsenz, die man auf großer Bühne und mit mehr Publikum möglicher Weise gar nicht so erreicht. Es war ein Erlebnis, denn ab dem Moment, in dem Johanna im Solo auf der Bühne den Beginn des Stücks einläutete, wurde es im Zuschauerraum ‚mucksmäuschenstill‘ und das hielt bis zum Ende des Stücks an. Als es nach der letzten Szene dunkel wurde, brauchte das Publikum einen kleinen Moment zu realisieren, dass das der Schlussakt war. Als es dann soweit war, macht sich Applaus breit, der immer weiter anschwoll in Rufen weiter erhalte und irgendwie gar nicht mehr abebben wollte. Die Schauspieler auf der Bühne verneigten sich immer wieder aufs Neue, winkten, hielten sich an den Händen und strahlten am Ende – fast schon ratlos, ob der Applaus auch noch mal enden würde.

Eine beeindruckende Aufführung mit noch beeindruckenderen schauspielerischen Leistungen und dem Gefühl, dass moderne Technik etwas wirklich Großes auch auf kleine Bühnen und damit nah an die Menschen holen kann. Eine faszinierende Erfahrung, die kleine Bühnen plötzlich ganz groß werden lässt und die, in der Szene, in der der König zu seinem Volk spricht, auch das Publikum zum Teil des Stücks werden lässt. Wer das Stück im Lokschuppen verpasst hat, hat – sofern es noch Karten gibt – aktuell noch am kommenden Wochenende und noch einmal im April die Chance das Stück zu sehen. Termine auf der Homepage des Düsseldorfer Schauspielhauses.

Ein kleiner Vorgeschmack (Zusammenschnitt)

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Kommentar der Autorin: Jean d’Arc war eingestandener Maßen die Figur, die mich in Kindheit und Jugend irgendwie faszinierte. Ich ging ein wenig skeptisch in die Inszenierung, war aber am Ende – wie alle anderen Zuschauer auch – fasziniert, wie eine moderne Inszenierung – auch mit Technik – diese Geschichte eindrucksvoll aufgreift und nicht zuletzt durch die hervorragende Leistung der Schauspieler, die ihre Rollen perfekt spielten, füllt.

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