Filmpremiere „Die Sandheide – ein Quartier, viele Gesichter“

Popkorn und Infos zur Filmpremiere. Foto: SK

Das Bürgerhaus wurde zum Filmpalast: Darsteller mit Lampenfieber, Verwaltungsmitarbeiter als Regisseure und Drehbuchschreiber, Dokumentation zum „Making-Off“ sowie Sekt, Popcorn und Canapés für das Premieren-Publikum

Fast wie bei der ‘Berlinale’ konnten sich die Darsteller und zahlreichen Besucher bei der Premiere des Film ‘Die Sandheide – ein Quartier, viele Gesichter’ am vergangenen Donnerstag fühlen: Im Restaurant des Bürgerhauses standen mit bunten Primeln geschmückte Stehtische. Es gab Getränke und kleine Tütchen mit Popcorn. Im Raum verteilt wurden die zwölf Darsteller, von denen zwei leider verhindert waren, auf Schautafeln mit einem besonders eingängigen Zitat aus dem Film vorgestellt – ganz wie bei einer Premiere bei den großen Film-Festivals. Allerdings dürfte die Nervosität der Mitwirkenden, die alle in der Sandheide leben und/oder arbeiten, größer gewesen sein als bei den Stars anderer Premieren-Feiern.

Die ‘Set-Karten’ zeigten: Anke, Shiba, Ute, Mohammed, Ramona, Daniela, Sadaf, Mai, Steffen, Fatima, Soroush und Bianka. Eine Collage mit Bildern des ‘Making-Off’ zeigte außerdem diejenigen, die die Idee zu diesem Projekt hatten und die, die es realisierten: Die beiden Integrationsbeauftragten der Stadt Anna-Maria Weihrauch, die seit Jahresbeginn einen neuen Job in Düsseldorf hat, Torsten Gumbrecht, der an diesem Abend als Fotograf und Techniker auftrat. Zum Team gehörten außerdem Saskia Goebel, Quartiersmanagerin Sandheide, und Julia Zinn, die Projektkoordinatorin ‘Soziale Stadt Sandheide’. Ihr schickte das Premieren-Publikum ein kurzes Handy-Video mit Genesungswünschen, da sie krankheitsbedingt an diesem Abend nicht dabei sein konnte. Auch das Filmteam und die Visagistin, die allen Mitwirkenden ein Film-taugliches, dezentes Make-Up verpasst hatte, waren auf der Foto-Collage zu sehen. Als Garderobe hatte Künstlerin Constanze, selbst Mitglied des Vereins ‘Sandheide 4 You’, ihre Räume gern zur Verfügung gestellt. Als Dankeschön erhielt sie an diesem Abend einen Blumenstrauß überreicht. Auch eine Broschüre, in der die vier Themen, zu denen die zwölf in der Sandheide lebenden und/oder arbeitenden Erkrather vor der Kamera Stellung nahmen, lagen zum Mitnehmen bereit.

Die Spannung stieg

Bürgermeister Christoph Schultz begrüßte mit einer kurzen Einführung die Mitwirkende, ‘Produzenten’ und das Publikum, das zahlreich zu dem verschobenen Premierentermin gekommen war. Das war umso erfreulicher, da der ursprüngliche Termin wegen des ‘Sturmtiefs Sabine’ abgesagt werden musste. “Wir werden sehen, dass die Sandheide ganz anders ist als manche, ich betone ausdrücklich manche, meinen“, so Schultz, der seinen Dank an die Mitwirkenden und Organisatoren richtete. „Ohne große Außenaufnahmen bekommen wir das Innerste der Sandheide zu sehen“.

Danach ergriff Anna-Maria Weihrauch, der es ein „Herzenswunsch“ gewesen war, vor ihrem Weggang ihr letzten Projekts für die Stadt noch zu einem Ende zu bringen, das Wort: „Was uns alle eint ist, dass wir alle verschieden sind“, fasste sie eine zentrale Botschaft des Films zusammen. Eine Meinung, die ihrer frühere Kollegin Saskia Goebel teilte. Mit einem: „Lasst uns daher die Schubladen geschlossen halten und uns unvoreingenommen nun den Film ansehen“, forderte sie ihren Kollegen Torsten Gumbrecht auf den Film ‘Ein Stück gelebtes Miteinander in dem Facetten-reichsten Stadtteil Erkraths’ zu starten.

Worum geht es in dem Film?

Zu vier Themenkomplexen wurden die Mitwirkenden, die in einem Casting ausgewählt worden waren, während des Film-Drehs im Quartiersbüro befragt. Dabei übernahmen die Einführung in das jeweilige Thema die vier Projektverantwortlichen aus der Stadtverwaltung.

Weg mit der Schublade

Zum Thema ‘Weg mit der Schublade’ übernahm Anna-Maria Weihrauch den Part: „Die sind doch eh alle gleich“, laute eine oft gehörte Einschätzung, so die ehemalige Integrationsbeauftragte, die in ihrer Zeit in Erkrath das Quartier und seine rund 7.500 Menschen gut kennen gelernt hat. Viele Bewohner erführen Ablehnung, wenn sie sagen, dass sie in der Sandheide leben. Es ändere sich die Mimik und Gestik und abfällige Kommentare wie ‘so, so’ oder ein lang gezogenes ‘aha’ folgten. Über Rassismus im Alltag berichtet im Film Shiba: „Als ich einmal einkaufen war, habe ich versehentlich jemanden angerempelt. Obwohl ich mich entschuldigt habe, hat er zu mir gesagt: ‘Typisch Ausländer’ – das hat mir weh getan.“ Einen anderen Aspekt beleuchtet die 22-jährige, afghanisch-stämmige Sadaf Jahed, die 2012 mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester aus Düsseldorf in die Sandheide zog: „Außerdem sollte man auch die Wahrnehmung ändern. Menschen müssen die Chance bekommen, dass man sie kennenlernt, bevor man über sie urteilt“, so die angehende Erzieherin, die ihr Anerkennungsjahr in der Städtischen Kita Gretenberg absolvieren wird. Ihre ‘Mitspielerin’ Ute Hoppe, die sich vor sechszehn Jahren entschloss, in die Sandheide zu ziehen, erntet oft Unverständnis für diese Wohnort-Wahl: „Das ist doch ein Sozialer Brennpunkt, wie kann man da gern wohnen“, so die sympathische Frau, die in einer Werkstatt für angepasste Arbeit in Düsseldorf arbeitet. „Ich finde das gelebte Multikulti hier bereichernd, ob beim Einkaufen im Mini-Markt oder beim Sport, in der Turnhalle, die zur – leider – abgebrannten Grundschule gehört, die Gespräche mit den Menschen geben mir viel“, erzählt sie später in noch einem anderen Beitrag. Nach der Vorführung steht sie mit ihren Nachbarn, die sie auf das Casting aufmerksam gemacht haben, an einem Stehtisch und verrät: „Ich habe das Haus, in dem ich jetzt wohne, ganz bewusst ausgesucht: Ich schaue nämlich auf die Kita Sandheide. Am schönsten ist es, wenn die Kinder nach dem St. Martinszug zusammen mit ihren Eltern zum Gripschen kommen“.

Integration und Quartiersentwicklung

Zum zweiten Kapitel mit dem Titel ‘Integration und Quartiersentwicklung’ führt im Film Torsten Gumbrecht ein: „Die Menschen erfahren durch die Quartiersentwicklung eine Stärkung ihrer sozialen Netzwerke und bilden hierdurch – in einem wertschätzenden Umgang – stabile Nachbarschaften. Dies wiederum erhöht die Chancen auf Integration“, so der Integrationsbeauftragte, bevor in kurzen Einspielern die Sandheider zu Wort kommen: „Das Zusammenleben in der Sandheide ist wie in einer riesengroßen Patchworkfamilie: Die eine mögen sich, die anderen verstehen sich nicht“, so Ramona zu dem Zusammenleben der verschiedenen Ethnien. Für Daniela Bilobrk, die in der Sandheide aufgewachsen ist, sechs Jahre in München lebte, um dann mit ihrem Mann zurück in die Sandheide zu ziehen, ist für Integration Sprache maßgeblich. „Wenn ich die Sprache nicht spreche und auch nicht verstanden werden kann, ist es auch nicht leicht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“ Nach dem Film erzählt  die Mutter zweier Kinder, die ihre ‘Sandkasten-Freundin’ zur Premiere mitgenommen hat: „Jetzt sitzen wir Beide zusammen auf dem Spielplatz, wo wir als Kinder selbst gespielt haben, und schauen unseren Kindern beim Spielen zu.“ Für sie gibt es keinen besseren Ort zum Leben als die Sandheide. „Ich fühle mich absolut wohl und sicher hier. Ich gehe auch ohne Angst über den Sandheider Markt und bringe meine Kinder in die Kita oder in die Schule“, spielt sie auf einen Zeitungsartikel an, in dem es hieß, dass die Sandheide aufgrund der hier vorhandenen Clan-Strukturen als „No-Go-Area“ bezeichnet wurde. „Als Anwohner haben wir uns dadurch wirklich herabgesetzt gefühlt“, sagt sie, noch immer mit Wut in der Stimme, mit Unverständnis, wie man zu einer solchen Einschätzung kommen könne.

Ziele der Quartiersentwicklung

Mit Saskia Goebels Einführung in das dritte Thema ‘Ziele der Quartiersentwicklung’ ging es im Film weiter: „Nichts prägt einen Menschen so sehr, wie das Umfeld, in dem er/sie heranwächst: Familie, Freundinnen und Freunde, Vertrauenspersonen wie Lehrkräfte oder Trainerinnen und Trainer, aber auch die natürliche und gebaute Umwelt“, so ihre These. „Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner sich wohl fühlen, selbstbewusst sind und dafür sorgen, dass ihr zu Hause lebenswert bleibt, ist Quartiersentwicklung erfolgreich.“ Dazu meint Steffen Krüll, der in der Sandheide aufgewachsen ist und seit fast 25 Jahren hier sein Architekturbüro hat: „Das Quartiermanagement ist wichtig, da im Projekt ‚Soziale Stadt Sandheide‘ verschiedene Bereiche von Verwaltung, Bürgern und Vereinen bearbeitet werden. Das Quartiermanagement verzahnt und koordiniert dies Bereiche, um Projekte erfolgreich zu verwirklichen“. 

Quartiersentwicklung und Demokratieförderung

Die Einführung zum vierten und letzten Teil des Films – ‘Quartiersentwicklung und Demokratieförderung’ – übernimmt Julia Zinn: „Die Quartiersentwicklung widmet sich dem Thema Demokratie in zweierlei Hinsicht: Zum eine setzt sie sich für die Stärkung der lokalen Demokratie und Beteiligung im Stadtteil ein und zum anderen fördert sie ein soziales und gleichberechtigtes Miteinander“, so ihre Überzeugung. Als Beispiel für eine von vielen Menschen, die sich in der Sandheide für Mitwirkung seit Jahren einsetzt kommt Fatima Assila zu Wort, die wie ihr Mann Mohammed, der als Lehrer an der GGS Sandheide tätig ist, sich seit Jahren für die Sprachförderung engagiert. Sie sind bei Festen und jeder Art von Aktivität im Quartier nicht wegzudenken. „Viele Menschen in der Sandheide sind schon engagiert. Sie beteiligen sich an mehreren Angeboten. Andere trauen sich noch nicht. Es wäre schön, wenn sich auch noch trauen und mitmachen“, so die geborene Marokkanerin.

Keine Scheu vor Engagement hat auch Bianka, die in einer Reinigungsfirma tätig ist und die täglichen Begegnungen im Treppenhaus mit den Menschen der verschiedensten Ethnien genießt. „Ich bin stark gewerkschaftlich engagiert“, so die Kontaktfreudige Frau, die gern eine Tasse Kaffee oder Tee mit den Menschen trinkt, in deren Wohnhäuser sie das Treppenhaus reinigt. „Ich bin u. a. Vorsitzende des Ortsverbands IG Bau im Kreis Mettmann und ehrenamtliche Stellvertretende DGB-Vorsitzende im Kreis Mettmann“, so die passionierte Karnevalistin, die seit anderthalb Jahren in Erkrath lebt und arbeitet. Etwas länger wohnt der 33-jährige Soroush in der Sandheide. Er fühlt sich wohl hier, denn: „(..) ich glaube, dass es einen Zusammenhalt gibt, der für Außenstehende nicht direkt erkennbar ist“. Wenn er in seinem improvisierten Probenraum im Souterrain des Hauses, in dem er lebt, Gitarre übt, genießt er das Treiben vor dem Fenster. „Ich kann das Leben hören und fühle mich fast so wie in meinem Heimatland, dem Iran“, so der junge Mann, der als ehrenamtlicher Mitarbeiter beim ‘Freundeskreis für Flüchtlinge Erkrath e. V.’ in der Begegnungsstätte im ‘Hand in Hand’ andere Geflüchtete berät.

Alle Zuschauer, die die Premiere des beeindruckenden, sehr persönlichen Films stilvoll mit Sekt und Canapés feierten, waren sich einig, dass viele Facetten der Sandheide und ihrer Bewohner eingefangen wurden. Die Hoffnung, dass mehr Menschen außerhalb des Quartiers verstehen, dass die Bewohner gerade aufgrund der hier herrschenden Vielfalt mit Überzeugung sagen: „Ich liebe diesen Stadtteil“.

Projektverantwortlichen, die auch die Fördergelder aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ für die Verwirklichung des ehrgeizigen und kreativen Projekts akquiriert hatten:

Saskia Goebel (Quartiersmanagerin für die Sandheide), Julia Zinn (Projekt- verantwortlich für ‘Neue Stadt Sandheide’) sowie Torsten Gumbrecht (Integrationsbeauftragter der Stadt Erkrath) und seine ehemalige Kollegin Anna-Maria Weihrauch, die zum Jahreswechsel als Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums nach Düsseldorf wechselte.

Der erste Teil des Films ist inzwischen auf Youtube.

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