
Die Veranstaltung der Orts-SPD auf dem Hochdahler Markt hätte auch, wie die Postkarten der Düsseldorfer SPD queer Arbeitsgemeinschaft heißen können: „Mit rot-bunten Grüßen“. Denn ein Umzug, den man bei dem Titel vielleicht erwartet hätte, gab es am vergangenen Samstag auf dem Hochdahler Markt nicht.
Toni Nezi, Vorstandsvorsitzender der Erkrather Sozialdemokraten, erklärte den Titel der Premieren-Veranstaltung wie folgt: „Das Motto der Veranstaltung haben wir natürlich bei den Vorbereitungstreffen diskutiert. Wir sind dann aber doch bei CSD, also Christopher Street Day, geblieben. Wer sagt denn, dass man immer mit einem bunt-schrillen Umzug durch die Stadt auf die Belange der Menschen, die sich der LTBQ-Bewegung zugehörig fühlen, aufmerksam machen muss?“
Im nächsten Jahr Info-Stände auf dem gesamtem Hochdahler Markt geplant
Auch eine weitere Postkarte, die der Verein „Gendertreff e. V.“ dabei hatte, hätte Motto-gebend sein können für die Veranstaltung am vergangenen Samstag: „Die grüne Karrte für Diversity“ – war darauf zu lesen. Denn sowohl die Vorsitzende des „Gendertreffs e. V.“, Xenia, und ihre Ehefrau Ute sowie die Mitglieder von SPD queer Düsseldorf waren auf Einladung der Orts-SPD nach Hochdahl gekommen, um ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz zu setzten. „Der Zeitpunkt jetzt ist gerade richtig, nachdem die körperlichen und auch verbalen Angriffe auf Menschen, die sich der LGBTQ-Bewegung zugehörig fühlen, zugenommen haben. Das ist absolut nicht in Ordnung und nicht zu tolerieren. Dagegen muss die Zivilgesellschaft gemeinsam aufstehen“, so Marc Klement von der Düsseldorfer SPD queer-Arbeitsgemeinschaft auf die Frage, warum es wichtig ist, in die Öffentlichkeit zu gehen mit der Forderung nach gesellschaftlicher Anerkennung von divers neben Mann oder Frau.
Mit der Resonanz der Erkratherinnen und Erkrather, die entweder mit dem bewussten Ziel, sich zu informieren, auf den Hochdahler Markt gekommen waren, als auch derer, die „eigentlich nur einkaufen wollten und dann die Gelegenheit nutzten, um sich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, die hier vor Ort sind“, war Toni Nezi sehr zufrieden. „Zwischendurch waren bis zu 60 Leute gleichzeitig am Stand.“ Und Dirk Jehlen, ebenfalls Mitglied von SPD queer aus der Landeshauptstadt, ergänzte: „Wir haben uns auch gefreut, dass so viele Menschen aus der Community, die in Erkrath leben, uns hier am Stand besucht haben.“ Ulrike Haase, die zusammen mit Toni Nezi das Vorstands-Duo der SPD Erkrath bildet und wie er in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, bringt ihren Eindruck vom ersten „Christopher Street Day“ so auf den Punkt: „Interessiert und fröhlich“ seien die Erkratherinnen und Erkrather gewesen, die an den Ständen Halt gemacht hätten. Es habe keine unangenehmen Gespräche oder gar Ausschreitungen gegeben mit Menschen, für die Toleranz für „Diversity“ ein Fremdwort sei. Nur ein einziges Gespräch hätte Marc Klemens geführt mit einem Mann, der sich direkt outet „mit Gendern nichts anfangen zu können“. Doch auch mit diesem sei schließlich ein sehr gutes und konstruktives Gespräch zustande gekommen.
Gendertreff e. V. ist in Erkrath ansässig
Für die Vorsitzende des 2017 in Erkrath als Verein gegründeten, aber bereits seit 2004 bestehenden Treffs für Menschen, die im – von ihnen als den falschen Körper empfundenen – zur Welt kamen, war es so zu sagen ein Heimspiel. „Wir haben bereits zweimal unsere Gendertreff Messe und Fachtagung im Bürgerhaus abgehalten. Da es aber zwischenzeitlich als Notunterkunft für Geflüchtete vorgehalten werden musste, mussten wir nach Leverkusen ausweichen. Hier veranstalten wir im kommenden Jahr bereits die fünfte Veranstaltung mit Vorträgen, Beratungen und Gelegenheit zum Treffen und Austauschen“, erzählte die sympathischen 65-Jährige, die bereits als Kind spürte, dass sie „nicht in ihrem Körper zuhause ist“. Es sollte allerdings noch bis vor 20 Jahren dauern, dass sie ihrer Frau, den Kindern und ihrem gesamten sozialen Umfeld samt Arbeitgeber eröffnete, dass ihre männliche nicht ihre wirkliche Identität sei. „Eine Trans-Identität ist ein Geburtsfehler – so simpel ist das.“ Dass der Weg, ob mit oder ohne Operation zum eigentlichen Geschlecht, dann alles andere als „simpel“ ist, bestätigte Xenia im Gespräch: „Abgesehen davon, dass zwei unabhängige psychologische Gutachten bestätigen müssen, dass das eigene Gefühl auch ‚richtig‘ ist, ist jeder Weg ein individueller Weg. Denn es kommt schließlich immer auf die Reaktion des Umfelds sowie auf die eigene Persönlichkeit an“, so Xenia, die nach wie vor mit ihrer Ehefrau Ute, die sie als Mann kennen- und lieben lernte, verheiratet ist. „Ich bin in meiner Familie und auch bei der Arbeit nur auf Unterstützung getroffen. Ich habe meiner Frau und mir, bis ich mich auch umoperieren lassen habe, einige Jahre Zeit gegeben. Außerdem muss man auf jeden Fall zunächst Hormone einnehmen, bevor ein Eingriff vorgenommen werden kann. Ich habe, was auch nicht alle machen, in Hamburg, wo es eine Spezialklinik gibt, auch meine Stimmbänder operieren lassen und Sprachtraining genommen, um meine Stimme entsprechend fraulicher zu machen.“
Am Stand führten Xenia, ihre Frau Ute und Patricia, die ebenfalls in einem männlichen Körper geboren wurde, zahlreiche Gespräche. Auch mit Menschen, die in ihrer Situation sind und den Schritt anders als die beiden Frauen noch nicht gewagt haben, in ihre wirkliche Identität zu wechseln. „Je früher die Eltern bei ihren Kindern merken, dass da Geburts- und eigentliches Geschlecht nicht übereinstimmen, bzw. auf ihre Kinder hören, die das so empfinden, desto besser ist es für alle. Wir würden uns wünschen, dass sie sich bei Ärzten, Psychologen und gern auch bei unseren Treffen Info und Hilfe holen und nicht nach dem Motto handeln, es darf nicht sein, was nicht sein darf.“ Weitere Infos unter www.gendertreff.de
Gendertreff-Messe: Forum Leverkusen, Am Bücheteler Hof 9, 51373 Leverkusen, 1.6.2024, 10h-18h, www.gendertreff-messe.de.
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