Sieben bis neuen Monate Wartezeit zur Abgabe des Einbürgerungsantrags? Damit haben in Erkrath lebende Menschen, die deutsche Staatsbürger werden wollen, gerade zu kämpfen.
Bis Ende Juni 2022 konnten Migrantinnen und Migranten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben möchten, ihren Einbürgerungsantrag bei der Stadt Erkrath abgeben, die diesen auf Vollständigkeit geprüft und dann an den Kreis weitergeleitet hat. Dann wurde dieser Service eingestellt. Seit dem müssen Migrantinnen und Migranten ihren Antrag direkt beim Kreis Mettmann einreichen und brauchen dafür einen Termin. Wartezeit auf den Termin: Sieben bis neun Monate. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen sieht darin eine Benachteiligung und stellte deshalb im letzten Ausschuss für Soziales und Wohnen den Antrag den Punkt „Entgegennahme und Weiterleitung von Einbürgerungsanträgen durch die Stadt Erkrath an den Kreis Mettmann – Benachteiligung von gut integrierten Migrantinnen und Migranten in Erkrath endlich beenden!“ auf die Tagesordnung zu setzen.
Diskussion und Abstimmung im Ausschuss
„Die Verwaltungsspitze und eine Ratsmehrheit praktizieren hier das Gegenteil von Integration. Das sind Menschen, die Arbeit haben, gut integriert sind und gute Gesellschaftskenntnisse haben“, begründete Peter Knitsch (Grüne) den Antrag. Denen müsse man nun sagen, dass sie sieben bis neun Monate auf einen Termin warten müssen, um den Antrag abzugeben. Die Bearbeitung im Kreis nehme noch einmal Zeit in Anspruch. „Das verstehen die Menschen nicht.“ Er verwies darauf, dass andere Städte im Kreis die Anträge weiterhin annehmen und das Verfahren nur wenige Wochen dauere. „In vielen Fällen hat das für die Betroffenen erhebliche Konsequenzen“, führte Knitsch an. So könnten einige nicht in ihre Herkunftsländer reisen, um ein letztes Mal ihre Eltern zu sehen. Andere stünden vor der Verbeamtung, die aber erst erfolgen könne, wenn sie deutsche Staatsbürger sind. „Das ist respektlos.“ Geld würde die Stadt aus seiner Sicht auch nicht sparen, denn wenn die Stadt die Stelle nicht besetzt, müsse sie beim Kreis besetzt werden und das zahle die Stadt dann wiederum über die Kreisumlage.
„Welchen Vorteil hat der Antragsteller“, fragte Andreas Heringleitner (CDU). Die Kompetenz läge im Kreis und deshalb sei der Kreis die richtige Anlaufstelle. Ralf Lenger (FDP) gestand, dass er die Vorlage nicht richtig verstanden hätte. In Zeiten der Digitalisierung könne das Verfahren doch deutlich vereinfacht werden. „Es kann nicht sein, dass der Kreis so lange dazu braucht, es kann aber auch nicht sein, dass die Stadt dafür eine halbe Stelle braucht.“ Der Streit zwischen Stadt und Kreis sei keine Lösung. Er wünsche sich mehr Effizienz und Digitalisierung ohne eine zusätzliche Stelle. (Das Thema Digitalisierung haben wir gesondert recherchiert und hier darüber berichtet.)
Zeitaufwand der Antragsannahme
Annegret Schiffers (CDU) erklärte, dass die Entgegennahme schon eine Prüfung in sich sei. Man könne nicht alles digitalisieren. „Wir sprechen nur bei der Entgegennahme eines Antrags schon von 1,5 Stunden Arbeitsaufwand.“ Sie empfände es als Bereicherung und Notwendigkeit die Antragstellung beim Kreis zu lassen. „Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, wie viel zeitlicher Aufwand das ist. Das ist eine Kreisangelegenheit und wir haben die Kapazitäten nicht“, warf Detlef Ehlert (SPD) ein.
Peter Knitsch erklärte, dass hier keine Doppelarbeit geleistet werde. Andere Städte, außer Velbert und Ratingen würden die Aufgabe ja auch weiterhin übernehmen. Es sei vor allem die Prüfung auf Vollständigkeit der Unterlagen. Der Streit zwischen dem CDU Landrat und dem CDU Bürgermeister würde auch deshalb nicht gelöst, weil andere Städte die Aufgabe weiter übernehmen. „Dieser Streit wird auf absehbare Zeit auf dem Rücken der Menschen ausgetragen. In Erkrath warten die Menschen sieben bis neun Monate länger als in anderen Städten.“
Auch Dieter Thelen vom Freundeskreis für Flüchtlinge meldete sich zu Wort: „Wir haben viel mehr Aufwand, seit Erkrath das nicht mehr macht. Das ist eine sehr aufwändige Kiste.“ Die erste Frage sei: Wie kann ich überhaupt einen Antrag stellen. Der Freundeskreis hat inzwischen eine Mappe entwickelt, die genau den Vorgaben des Kreises entspricht. „Was im Standesamt bis Mitte letztes Jahr richtig gut gemacht wurde, macht jetzt das Ehrenamt.“ Er wünsche sich wieder mehr persönlichen Kontakt zu den Menschen. Der Mehraufwand im Ehrenamt führe indes nicht zu einer Verkürzung der Wartezeiten für Einbürgerungswillige bis zum Termin der eigentlichen Antragstellung, wie wir später aus dem Freundeskreis erfuhren.
Die Diskussion zog sich noch weiterhin. Dezernent Michael Pfleging äußerte die Idee, dass der Kreis ja auch einen mobilen Service anbieten könne und einmal in der Woche in die Stadt kommt, ähnlich wie Versicherungen das handhaben. So gäbe es persönlichen Kontakt und die technischen Möglichkeiten stünden ja zur Verfügung. Das allerdings liegt nicht in der Entscheidung der Stadt Erkrath, auch wenn die Idee gut klingt. Christian Ritt (BmU) hielt es für problematisch „die Menschen so lange hängen zu lassen“.
In der anschließenden Abstimmung stimmten Grüne, BmU und AfD für den Antrag der Grünen. CDU, SPD und FDP stimmten dagegen, womit der Antrag mehrheitlich abgelehnt wurde.
Am 20. Juni wird noch im Rat darüber abgestimmt.
Info: Von den insgesamt zehn kreisangehörigen Städten nehmen derzeit nur drei keine Einbürgerungsanträge in der Stadt entgegen. In den beiden größten kreisangehörigen Kommunen Ratingen und Velbert gab es bis 2020 Kreis-Service-Center, in denen die Anträge vor Ort entgegen genommen wurden. Nach der Schließung der Kreis-Service-Center hatten die Städte Ratingen und Velbert abgelehnt die Aufgabe in den Rathäusern zu übernehmen, da räumliche und personelle Kapazitäten nicht vorhanden waren. Erkrath ist bisher die einzige Kommune im Kreis Mettmann, die sich aus den bis Ende Juni 2022 bestehenden Service in den Rathäusern verabschiedet hat.
Zahl der Einbürgerungen
In der Beschlussvorlage zum Antrag empfahl die Verwaltung mit einer umfangreichen Begründung den Antrag abzulehnen. Alle vorgebrachten Argumente sind schwer einzuordnen, wenn man die tatsächlichen Zahlen nicht kennt. Wir haben die Zahl der Einbürgerungen von 2017 bis 2021 bei IT NRW heruntergeladen und da sie eine große Differenz zu vom Kreis in der Vorlage Vorlage 32/002/2023 veröffentlichten Zahlen aufwiesen, beim Kreis nachgefragt und bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei der Pressesprecherin Daniela Hitzemann, die uns so schnell und unkompliziert weiterhalf. Die Differenz ergibt sich offensichtlich daraus, dass IT-NRW nur die Fälle erfasst, die im jeweiligen Jahr auch ihre Einbürgerungsurkunden ausgehändigt bekommen haben, während der Kreis die Zahl der eingegangenen Anträge erfasst.
Zahlen aus der Vorlage des Kreises:
Der Kreis Mettmann ist eine der Kommunen, die die geringste Ablehnungsquote haben. 2017 waren es 22 Fälle, 2018 nur 3, in 2019 waren es 28 Fälle, 2020 dann 9 Fälle, in 2021 waren es 5 Fälle und trotz steigender Einbürgerungszahlen waren es 2022 nur 6 Fälle.
Wie sich aus den Zahlen des Kreises ablesen lässt, steigt die Zahl der Einbürgerungen. In diesem Jahr rechnet der Kreis mit etwa 2.500 Eingebürgerungsanträgen kreisweit.
Zeitaufwand bei der Antragsannahme
Wir haben versucht mit den vorliegenden Informationen einen möglichen monatlichen Zeitaufwand zur Annahme der Einbürgerungsanträge zu errechnen. Von der Pressestelle des Kreises haben wir die Zahl der Einbürgerungsanträge für Erkrath für die Jahre 2017 bis 2021 erhalten, da diese ja höher sind, als die bei IT-NRW angegebenen.
Anzahl Einbürgerungsanträge 2017 – 2021 aus Erkrath:
2017 = 114 | 2018 = 114 | 2019 = 123 | 2020 = 87 | 2021 = 122
Für die Berechnung des jährlichen Zeitaufwands haben wir die von Annegret Schiffers in der Sitzung genannten 1,5 Std. mit der Zahl der Einbürgerungsanträge multipliziert und durch 12 dividiert. Wir kamen dabei für 2019 (das Jahr mit der höchsten Anzahl an Anträgen) aufgerundet auf monatlich 15,5 Stunden.
Anstieg der Einbürgerungsanträge
Inzwischen, so erfuhren wir vom Kreis, ist die Zahl der Einbürgerungsanträge deutlich angestiegen. Bis jetzt liegen schon 142 Anträge aus Erkrath vor. Bis zum Jahresende rechnet man mit insgesamt 300 Anträgen. Das würde in der Antragsannahme, wenn sie bei der Stadt Erkrath läge, zu einem monatlichen Zeitaufwand von 37,5 Stunden führen, was etwa einer viertel Stelle entspräche. Aktuell ist noch nicht abzusehen, wann sich die Wartezeiten auf einen Termin zur Abgabe des Einbürgerungsantrags beim Kreis Mettmann für Erkrather wieder verkürzen.
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