Die Jugend rückt nach links

von Ria Garcia

Tyll Oliver Schulz (l.) und Fabian Tim Kollat sind zwei der vielen neuen Mitglieder der Partei Die Linke. | Foto: Ria Garcia

Premium | Die Partei Die Linke verbucht seit Jahresbeginn enorme Mitgliederzuwächse. Vor allem junge Menschen entscheiden sich für die Partei. Wir haben mit zwei von Ihnen in Erkrath gesprochen.

Bundesweit ist Die Linke (Stand circa Ende März) von etwa 52.000 auf 110.300 Mitglieder gewachsen. In NRW von 7.200 auf mehr als 20.000 und im Kreis Mettmann von 120 auf inzwischen 288 Mitglieder. Für die neuen Mitglieder hat der Kreisverband gestern in Erkrath eine Neumitglieder- und Aktivierungsversammlung abgehalten. Zwei der neuen Mitglieder haben wir in der vergangenen Woche getroffen. Gerne hätte wir auch ein weibliches Neumitglied interviewt, aber das hat terminlich so schnell nicht geklappt, also haben wir uns mit zwei jungen Männern unterhalten.

Tyll Oliver Schulz ist 31 Jahre alt. Er holt gerade auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nach. Fabian Tim Kollat ist 24 Jahre als und von Beruf Einzelhandelskaufmann. Beide sind vor der Bundestagswahl Mitglieder von Die Linke geworden. Wir wollten wissen, wie es dazu kam und warum sie sich so entschieden haben. „Ich wollte schon seit einigen Jahren in der Politik aktiv werden, habe aber erst im Wahlkampf nachgefragt“, erzählt Fabian.

Das war an einem Wahlkampfstand der Linken und ins Gespräch kam er dabei mit Markus Lenk, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat. Fabian kam wieder, half an den Wahlkampfständen und beim Flyern. „Das aktuelle Wahlprogramm der Linken hat mich sehr angesprochen. Darin steckt viel zu sozialer Gerechtigkeit, bezahlbaren Mieten und generell für Menschen, die nicht zu den bessergestellten gehören“, erklärt er. Bevor er Markus Lenk angesprochen hat, hatte er sich auch die Partei VOLT im Wahlkampf angeschaut. „Die Spitzenkandidatin ist viele Antworten schuldig geblieben. Bei den Linken war das anders. Das war alles schlüssig.“ Selbst beim Thema Klimaschutz fühlt er sich bei den Linken gutaufgehoben, denn die betrachte auch die Klimagerechtigkeit. „Die größten CO²-Verursacher sind die Superreichen, die Zeche bezahlt aber die Mehrheit mit der CO²-Steuer“, bezieht er sich auf die im letzten Jahr veröffentlichte Oxfam-Studie.

Tyll ist nicht zum ersten Mal in einer Partei aktiv

Tyll hat sich schon immer für Politik interessiert, ist schon mit 18 Mitglied in die SPD eingetreten und war einige Jahre Mitglied. „Das war eher enttäuschend“, fühlte er sich von der Partei nicht wirklich mitgenommen und trat schließlich wieder aus. „Beim Wahl-o-Mat ploppte bei mir schon immer die Linke ganz nach oben, da war ich damals aber eher abgeschreckt.“ Das sei vor allem auf Sara Wagenknecht zurückzuführen gewesen, erklärte er. „Seit sie raus ist, kann ich mich mehr mit den Linken identifizieren.“ Er kritisiert, dass sich andere Parteien mehr an Bessergestellten und Reichen orientieren.

„Ich möchte politisch für die Menschen aktiv sein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“, beschreibt er seine Motivation und weiß, wovon er spricht. Zwei Jahre lang hat Tyll in der Wiedereingliederung gearbeitet. Er hat erlebt, dass Menschen mit Behinderung für ein bis zwei Euro die Stunde gearbeitet haben. Das sei auf das Äußerste des Hungerlohns reduziert. „Mich beschäftigt die Frage, wie man generell mit Menschen umgehen sollte, damit jeder ein gerechtes Stück vom Kuchen bekommt.“ Seiner Vorstellung nach müsse Kommunalpolitik Hand in Hand zusammenarbeiten, um etwas positiv zu verändern. „Wichtig ist aber vor allem, dass man parteiintern zusammenhält und zusammenarbeitet, dass man gemeinsam Ziele findet.“

Erwartungen, Wünsche und Ziele

Wir wollten wissen, was sich die beiden für die Kommunalwahl wünschen. „Mit vier bis fünf Mitgliedern in den Stadtrat einzuziehen wäre nicht schlecht“, äußert sich Fabian. Gemeinsam möchten sie auch in schwierigen Zeiten die soziale Infrastruktur in der Stadt erhalten. „Ich bin erst vor fünf Jahren von Duisburg wieder nach Erkrath gezogen. Meine Familie lebt hier“, erzählt Fabian. Durch seine 15-jährige Schwester erlebt er, dass es in Erkrath insgesamt wenig Plätze im öffentlichen Raum gibt, an denen sich Jugendliche treffen können.

Tyll stammt ursprünglich aus Niedersachsen und ist 2003 zuerst nach Oberhausen gezogen und wohnt jetzt seit 2017 in Erkrath. „Mir ist auch aufgefallen, dass es hier – abgesehen von den Jugendcafés – wenig für Jugendliche gibt.“ Vor allem draußen gäbe es keine Treffpunkte, an denen Jugendliche sich aufhalten können. Was es bedeutet in Erkrath eine Wohnung zu suchen haben beide schon am eigenen Leib erfahren müssen und erfahren es gerade wieder. Beide suchen aktuell eine Wohnung. „Die meisten Angebote scheiden aufgrund der hohen Miete aus und wenn sie bezahlbar sind, sind sie fast unzumutbar“, sagt uns Tyll. „Ich kann mir vorstellen was das für Alleinerziehende mit Kindern bedeutet.“ So könne es nicht weitergehen, sind sich die beiden einig. Es brauche mehr sozialen Wohnungsbau. „Vielleicht braucht es eine Leerstandssteuer?“, stellt Fabian eine Idee in den Raum.

Tyll möchte vor allem junge Menschen aufklären über die Menschenrechte, über soziale Gerechtigkeit und will ihnen vermitteln, dass sie wählen oder politisch aktiv werden sollten. „Alles außer rechts“, ist seine Botschaft. Hinter jedem Mensch stehe ein Bedürfnis, aber AfD Wähler haben aus seiner Sicht die falschen Erwartungen an die Partei, die diese kaum erfüllen werde.

Am 4. Mai 2025 ist die Aufstellungsversammlung der Partei Die Linke in Erkrath. Dann werden die Kandidaten für die Kommunalwahl gewählt. Tyll Oliver Schulz und Fabian Tim Kollat sind zwei davon. Ihre Namen wird man künftig sicher noch öfter in der Lokalpresse lesen.

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