Die Flut spülte Verzweiflung ins Ahrtal

Foto: privat/LK

Drei Wochen sind seit dem Jahrtausendhochwasser im Ahrtal vergangen. Seit mehr als einer Woche organisiert formbar Events aus Hilden jeden Tag 500 warme Mahlzeiten vor Ort.

Am Montag haben wir mit Linda Koll telefoniert, um zu erfahren, wie die erste Woche vor Ort war. In der letzten Woche berichteten wir darüber, dass formbar sich mit täglich warmen Mahlzeiten vor Ort im Ahrteil einbringen wollte. formbar hat seinen Foodtruck im WeinKulturDorf Dernau aufgestellt. Verschiedene Kollegen anderer Caterer unterstützten, indem sie tageweise auch Essen kochten. Über unseren Artikel kamen sogar noch zwei neue hinzu.

Großeinkäufe dank einer Spende von Tinkerbell. Foto: privat/LK

Der Verein Tinkerbell hat die Hilfe auf andere Weise unterstützt: Mit 5000 Euro sollte formbar etwas für die Kinder tun. Denen, die alles verloren haben, mit hochwertigen Spielzeug oder anderem einen kleinen Lichtblick bescheren. Zur Spende des Vereins kamen weitere von verschiedenen Unternehmen hinzu, sodass formbar gezielt helfen konnte. „Eine Mutter von drei Kindern erzählte uns, dass sie alles verloren haben, im Moment bei Bekannten zu viert in einem Zimmer leben. Ihr ältester Sohn könnte jetzt mit 16 Jahren eine Ausbildung bei einem Dachdecker beginnen, aber nur wenn er bei Antritt die passenden Arbeitsschuhe besitzt“, erzählte Linda Koll am Montag.

Das Problem: Der junge Mann hat Schuhgröße 50 und die Spezialschuhe mit Stahlkappen sind vor Ort nirgendwo erhältlich. Amazon ist nur in guten Zeiten eine Lösung, denn mit der zusammengebrochenen Infrastruktur liefert Amazon nicht mehr ins Ahrtal. Mit Hilfe der Spenden konnte Linda Koll schließlich helfen. Sie bestellte die Schuhe in Hilden über den Betrieb und nahm sie dann mit. Das ist nur ein Ausschnitt dessen, was sie oder die anderen Helfer, die vor Ort das Essen ausgeben, täglich erfahren. Eine 82-jährige Rentnerin kam täglich zum Essen vorbei. „Ihre Kinder hatten rechts und links ihres Wohnhauses einen Friseursalon und eine Bäckerei. Alles weg. Die Familie hat alles verloren.“ Viel schlimmer noch berührte sie allerdings in der letzten Woche der Fund einer vierköpfigen Familie, die tot in ihrem Auto aus dem Fluss geborgen wurde.

Aber Linda Koll hat auch schönes erlebt. Nicht nur formbar hatte sich auf den Weg gemacht, um den Menschen warmes Essen zu bringen. Tageweise waren Foodtrucks aus Köln vor Ort. „Irgendwann wurde ich auf einen Mann mit Turban aufmerksam. Der aus Inden stammende Mann verteilte 1700 warme Essen für die Menschen“, erzählt sie gerührt. „Wir möchten auf jeden Fall über die angekündigten 14 Tage hinaus helfen. Bei uns waren schon Menschen, die erzählten, dass es ihre erste warme Mahlzeit seit vier Tagen sei. Hier ist noch so unfassbar viel zu tun. Alleine schaffen die Einwohner das überhaupt nicht.“ Linda Koll hofft, dass auch weiterhin Unterstützung aus dem Kollegenkreis kommt, damit der Foodtruck wenigstens bis Ende August weiter machen kann. Gerne möchte sie die Hilfe bis in den September ausdehnen, wenn sich genügend beteiligen.
In den ersten zwei Wochen war die Schar der Helfer riesig. Menschen aus den verschiedensten Teilen von Deutschland kamen angereist, verbrachten ihren Urlaub damit Schlamm zu schaufeln und aufzuräumen. Sie waren die, die den Menschen, die alles verloren hatten, die Hoffnung gaben, sie motivierten weiterzumachen, aufzuräumen und nach vorne zu schauen.

Nach drei Wochen bleiben die Helfer mehr und mehr aus

Heute erreichte uns eine Sprachnachricht von Linda Koll, aus der Anspannung und Emotionen heraus zu hören waren. Nachdem das Medieninteresse offensichtlich langsam nachlässt, bleiben auch die Helfer aus. Während es inzwischen einen perfekt organisierten Shuttle-Service für Helfer gibt, der die Helfer von einem Parkplatz außerhalb direkt dorthin bringt, wo dringend Helfer benötigt werden, bleiben die Helfer mehr und mehr aus.

„Die Menschen vor Ort sind verzweifelt, fühlen sich unfähig das zu bewältigen, was noch vor ihnen liegt. Die Flut haben sie zwar überlebt, aber jetzt kommt die Depression und die Angst mit all dem allein gelassen zu werden“, berichtet Linda Koll. Vom DRK erfuhr sie heute Morgen, dass es die ersten Suizide gibt. Es gibt Dinge, die nicht spurlos an einem vorbei gehen. Auch nicht an Linda Koll. Und so sucht sie nicht nur Kollegen, die vielleicht auch einmal ein oder zwei Tage 500 warme Mahlzeiten für die Menschen in Dernau kochen, sie bittet auch inständig darum, dass freiwillige Helfer in Ahrtal fahren und weiter mit anpacken. „Das sind aus dem Kreis nur etwa hundert Kilometer. Alles hilft, auch wenn sich vier oder fünf Freunde nur einmal an einem Wochenende auf den Weg machen, um zu helfen. Die Menschen hier sind für jede Hilfe unendlich dankbar.“

Infos für freiwillige Helfer: Über die Homepage www.helfer-shuttle.de könnt Ihr alles Wesentliche erfahren. auch eine Facebook-Seite gibt es zum Helfer Shuttle.

+++update+++ Benefizkonzert zugunsten Dernau in Monheim am 20. August 2021.

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