Das Ringen um klimaneutrale Wärme

Von Ria Garcia

Archivfoto: RG

Fast die Hälfte der Ratsmitglieder sprach sich gegen den Bau neuer, vorerst gasbetriebener, Blockheizkraftwerke in Erkrath aus. Ihre Argumente blieben unberücksichtigt. Wie geht es weiter?

„Wir haben fast eine pari pari Situation“, regte Peter Knitsch (Grüne) in der Sondersitzung des Rats am 30. Mai 2023 einen Kompromiss an, der die Entscheidung zum Bau neuer Blockheizkraftwerke zumindest zurückstellt. Aber der Kompromiss blieb aus. Am Ende stimmten CDU, SPD und der Bürgermeister gegen den Antrag der Grünen, der forderte, dass sich die Stadtwerke nicht an den Ausschreibungen iKWK und KWK beteiligen und auf den Bau verzichten. Auch der ergänzende Antrag der FDP fand keine Mehrheit. Anders als in der Ratssitzung am 22. Mai 2023 waren die Ratsmitglieder von CDU und SPD dieses Mal vollzählig, sodass sie bei der Abstimmung eine komfortable Mehrheit bildeten.

Die Zukunft der Fernwärme

Die Fernwärme ist ein Thema, das in Erkrath besonders die der Fernwärmekunden immer wieder bewegt. Mehrmals wurden vom Kartellamt, auch auf Initiative der BmU, die Preise geprüft und am Ende erhielten Kunden von E.ON Erstattungen. Inzwischen gehört das Fernwärmenetz den Stadtwerken und soll dekarbonisiert werden, was die Interessengemeinschaft Fernwärmekunden aufmerksam begleitet. Immer noch gibt es Kritikpunkte, wie etwa die Anschlusswerte oder fehlende Information zur künftigen Preisgestaltung.

Auf der anderen Seite interessieren sich seit der Energiekrise und aktuell auch wegen des geplanten Gebäudeenergiegesetzes mehr Menschen für Fernwärmeanschlüsse und auch die Bundesregierung befasste sich erst am Montag beim Fernwärmegipfel mit der Thematik. Darüber berichtete der WDR und auch die Erkrather Interessengemeinschaft kam zu Wort. (Anm. d. Red.: Die IG Fernwärme hat gestern einen Verein gegründet. Wir berichten gesondert.)

Aus dem Bericht des WDR: Einer der größten Nachteile als Fernwärmenetz-Kunde ist, dass die Anbieter eine absolute Monopolstellung haben. „Anders als bei Strom und Gas können Verbraucher den Fernwärme-Lieferanten deswegen nicht wechseln“, heißt es dazu von der Verbraucherzentrale. Das sei insbesondere dann von Nachteil, wenn der Lieferant überdurchschnittlich teuer ist.

Während, wie im WDR Beitrag zu erfahren war, in Deutschland 14 Prozent aller Haushalte an Fernwärme angeschlossen sind, sind es in Dänemark bereits 65 Prozent. Dort hat vor Jahren die Ölkrise den Boom der Fernwärme ausgelöst.

In Erkrath hoffen Fernwärmekunden weiter auf transparente und bezahlbare Preise für Fernwärme. Die Preisgestaltung hatte beim Fernwärmegipfel auch Robert Habeck im Blick, der in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz, sowie für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zitiert wird: „Wichtig ist, die Preistransparenz und damit den Verbraucherschutz zu stärken und so Nah- und Fernwärme attraktiver zu machen.“

Wie die Preise sich zusammensetzen hängt stark davon ab, aus welchem Mix und zu welchen Kosten die Dekarbonisierung der Fernwärme in den kommenden Jahren gelingt. Einen Königsweg, wie die Dekarbonisierung der Fernwärme in Kommunen gelingt, gibt es indes nicht, wie das ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH) im Februar in einer Pressemitteilung wissen lässt. In einer 356 Seiten umfassenden Studie des Bundesumweltamts, an dem das ifeu beteiligt war, wird die ‚Dekarbonisierung von Energieinfrastrukturen‚ beleuchtet.

Argumente pro und contra Blockheizkraftwerke in den Diskussionen

Ein fertiges ‚Transformationskonzept‘ hin zu erneuerbaren Energien gibt es noch nicht. Das war dann in der Sonderratssitzung auch einer der Hauptkritikpunkte, der Fraktionen, die gegen den Bau neuer Blockheizkraftwerke sind. „Es gibt keine Eile in Bezug aus die Ausschreibungen. Die sind alle halbe Jahre neu möglich“, äußerte sich Peter Knitsch.

Pro:

Alter des Blockheizkraftwerks in Erkrath: Das Blockheizkraftwerk als Teil der Fernwärmeversorgung ist ‚in die Jahre gekommen‘ und laufe, so erklärte Gregor Jeken, Geschäftsführer der Stadtwerke, schon vor einiger Zeit, deshalb nicht mehr unter Volllast. Aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten seien die iKWK-Systeme sinnvoller als der Weiterbetrieb der Kessel, hatte er in einer Sitzung am 22. November 2022 argumentiert, in der die Bereitstellung von 100.000
m² Fläche für Solarthermie beschlossen wurde. Jeken erklärte, dass die durch die iKWK-Ausschreibung gewährten Zuschüsse für den Aufbau des regenerativen Park genutzt werden könnten.

Amortisation: Ein Blockheizkraftwerk amortisiere sich bereits nach 3 bis 5 Jahren, sodass die Anlage theoretisch bereits 2030 wieder abgeschaltet werden könne.

Versorgungssicherheit: Ein Argument der Befürworter des Baus neuer Blockheizkraftwerke ist die Versorgungssicherheit.

h2-ready: Außerdem seien die geplanten Blockheizkraftwerke ‚h2-ready‘ (auf Wasserstoff umrüstbar). Auch ermögliche die Förderung weitere Investitionen in den Umbau der Fernwärme.

Contra:

Versorgungssicherheit: Peter Knitsch rechnete vor, dass die Stadtwerke 90 MW Leistung vorhalten. 2 x 4,5 MW würden die neuen Blockheizkraftwerke ausmachen: „Die höchste Kapazität, die bisher gebraucht wurde, lag bei 30 oder 40 MW. Zu behaupten, wir brauchen die Blockheizkraftwerke für die Versorgungssicherheit, ist falsch.“

Unsicherheit beim Gaspreis: „Experten prognostizieren, dass der Gaspreis wieder steigen wird“, so Knitsch. Das sei ein Fiasko für den Fernwärmepreis, der dann nicht fair sei und steigen würde. Bernhard Osterwind ergänzte später, dass der im Blockheizkraftwerk produzierte Strom 16 Cent pro Kilowattstunde koste. „Keiner soll später sagen, er hätte nicht gewusst, was wir hier heute entscheiden“, mahnte er in der Sonderratssitzung.

Gas aus Fracking-Förderung: In einer Sitzungsunterbrechung wollte ein Bürger wissen, ob die Stadtwerke Einfluss auf die Qualität des zu beschaffenden Gases hätten. Bürgermeister Christoph Schultz antwortete ihm, dass nach seinem Verständnis keine Einflussnahme möglich sei und so auch Fracking Gas aus den USA im Mix sei.

h2-ready: Auch das Argument, dass die Blockheizkraftwerke ‚h2-reagy‘ geplant werden, überzeugte die Gegner nicht. Grüner Wasserstoff sei in absehbarer Zeit nicht in so großen Mengen verfügbar, dass er für die Wärmeerzeugung eingeplant werden könne und sei dann auch zu teuer. (Eine Einschätzung, die ein Experte in einem Artikel auf finanzen100.de teilt.)

Fördergelder nicht für die Fernwärme: Bernhard Osterwind (BMU) kritisierte, dass die Fördergelder, um die die Stadtwerke sich hier bewerben, nicht für die Fernwärme, sondern für die Stromerzeugung fließen würden. „Bei bundesweiter Spitzenlast muss das System innerhalb von 5 Minuten anspringen. Auch im Sommer.“ Dann sei Erkrath gezwungen im Sommer regenerative Energiesysteme abzuschalten und Gas zu verbrauchen.

Intransparenz beim Wärmepreis: Dennis Sauereßig (AfD) kritisierte, dass die Stadtwerke nach wie vor keine transparente Kalkulation des Wärmepreises vorlegen können. Er nannte positive Beispiele, wie es auch anders gehe, wie etwa bei den Stadtwerken Tübingen oder Duisburg.

Bessere Alternativen: Dass es Alternativen zu den Gas betriebenen Blockheizkraftwerken gäbe, wollte Sauereßig auch noch einmal deutlich machen. Als Beispiele nannte er die Stadtwerke Senftenberg und Greifswald. In Greifswald wurde im letzten Jahr die größte Solarthermieanlage in Deutschland fertiggestellt. „Die Stadtwerke Greifswald sind die ersten ihrer Art, die ein innovatives KWK-System mittels Solarthermie als regenerative Systemkomponente umsetzen„, heißt es in dem Beitrag auf energie-experten.org. Wer den Beitrag bis zum Ende liest, erfährt aber auch, dass Greifswald sich zwar auf den Weg gemacht hat und innovative Ideen umsetzt, der Weg aber auch dort noch lang ist. Denn in Greifswald werden weitere Blockheizkraftwerke nach wie vor mit Erdgas betrieben. In einem Artikel auf solarserver.de hieß es im September 2022, dass in Greifswald in 2024 rund 35 Prozent der Fernwärme erneuerbar seien sollen.

Der lange Weg zur klimaneutralen Fernwärme

In den Diskussionen wird schnell klar, das sich klimaneutrale Wärmeerzeugung nicht von heute auf morgen umsetzen lässt. Mit Geothermie könnte ein Teil der Wärme erzeugt werden. Bis zur Umsetzung hieß es nach Präsentation möglicher Potentiale, würden 5 bis 7 Jahre vergehen. Aber die Geothermie allein kann den Wärmebedarf in Erkrath nicht decken. Erst ein Mix aus unterschiedlichen ‚grünen Maßnahmen‘, wird die Dekarbonisierung der Fernwärme ermöglichen.

Ob dieses Ziel bis 2030 wirklich erreicht werden kann, wird die Zukunft zeigen. Die Hauptstadt von Schweden ist schon fast am Ziel. Dort kommen 98 Prozent der Wärme im Fernwärmenetz inzwischen aus erneuerbarer oder recycelter Energie.

Mit Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), Start des Programms war September 2022, kann einiges gelingen. Auch dezentrale Großwärmepumpen könnten künftig Teil der Versorgung sein.

Neben dem ‚Umbau der Fernwärme‘ steht in Erkrath an vielen Stellen auch noch die Sanierung des zum Teil veralteten Rohrleitungsnetzes auf dem Programm. Erst gestern sorgte ein Rohrbruch im Primärrohrleitungsnetz dafür, dass viele Haushalte vorübergehend von der Warmwasserversorgung ausgeschlossen waren.

Für alle Leser, die sich auf Grund des geplanten ‚Heizungsgesetzes‘ überlegen, wie es im eigenen Häuschen weitergehen kann, ist diese Studie des Fraunhofer Institut „Heizungstechnologien im Gebäude: Ein Beitrag zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Klimawirksamkeit“ vielleicht interessant.

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