Das Neandertal hat einen neuen ‘Bewohner’

Einweihung des Gedenkzeichens im Neandertal. Foto: RG

Es war eine ganz besondere Einweihung. Ein Kunstwerk, das voll Licht an die Schatten und dunklen Seiten des Neandertals erinnern soll.

Es ist ein ‘Baby’ von Rainer Köster, Kreistagsmitglied. Er hatte sich für eine Gedenktafel beim Museum eingesetzt, die an die inzwischen 145 bekannten Opfer der NS-Zeit erinnert. Aus der beantragten Gedenktafel ist schließlich ein Gedenkzeichen geworden, das im Rahmen eines Wettbewerbs juriert wurde. Franziska Peter überzeugte mit ihrem ‘gläsernen Menschen’, dessen Körperhaltung mit gefesselten Händen und nach oben gerichtetem Kopf die erlebten Qualen ausdrückt und dessen Lichtdurchlässigkeit die Schatten der NS Vergangenheit ins Licht rückt.

Am Freitag, den 21. August 2020, wurde das Gedenkzeichen im Neandertal eingeweiht. Corona bedingt war es eine Veranstaltung mit geladenen Gästen in überschaubarer Anzahl. Kreistagsmitglieder aus den Fraktionen und Gruppen, Landtagsabgeordnete, die Bürgermeister der Städte Erkrath und Mettmann. Auch die ehemalige Dezernentin Ulrike Haase war unter den Gästen. Kreisarchivar Joachim Schulz-Hönerlage hat sich sehr engagiert in die Veranstaltung eingebracht.

“Die Würde dieser Menschen wurde auf unfassbare Weise verletzt. Ihr Leben und Ihr Tod sollen uns Mahnung und Verantwortung sein.” Mit diesen beiden Sätzen endet der Text der Begleittafel, den Landrat Thomas Hendele, nachdem er allen Beteiligen gedankt hatte, verlas. “Es sollte uns gerade in der heutigen Zeit, in der Hetze und Rassismus wieder in unseren Alltag einziehen und das Internet als Brandbeschleuniger dient, Verantwortung sein”, mahnte er wachsam zu sein, nicht zu schweigen und dagegen zu halten. Hetze sei nur die Vorstufe zu Gewalt. Die 145 bekannten Opfer des NS hier bei uns sollen uns daran erinnern. Auch damals hätte es mit Hetze begonnen.

“Ich freue mich, was wir hier schönes geschaffen haben”, bezog sich Hendele auf die Umsetzung des Masterplans. “Dass wir auch die düstere Vergangenheit des Neandertals an so prominenter Stelle mit dem Gedenkzeichen der Künstlerin Franziska Peter sichtbar gemacht haben.”

Franziska Peter – die jurierte Künstlerin

Als schließlich die Künstlerin zu Wort kommt, erklärt sie, das in ihrer künstlerischen Arbeit die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus vor der Entwicklung des Gedenkzeichens nicht direkter Gegenstand gewesen sei, aber es sei ein Thema, was sie schon immer bewegte. “Aufgewachsen in einem Dreigenerationenhaus, hatte ich schon früh die Möglichkeit zu
erfahren, welche Spuren die NS-Zeit und der zweite Weltkrieg in einer Familie hinterlassen konnte. Vertreibung, Flucht, Gefangenschaft, und der Verlust von Familienmitgliedern waren traumatische Erlebnisse, die das Leben meiner Großeltern prägten und sie bis zum Ende beschäftigten. Und obwohl zur Vergangenheitsbewältigung der DDR die kollektive Verdrängung der NS-Zeit, die offizielle Verleugnung über Kriegsschuld und die Tabuisierung von Vertreibung und Vertreibungstraumata gehörten, vermochten meine Großeltern glücklicherweise trotzdem über Erlebtes zu sprechen und sich auch mit ihrer Vergangenheit und ihrem Schicksal ein Stück weit zu versöhnen.” Ihr sei bewusst, dass in anderen Familien die NS-Zeit zum Teil tabuisiert worden sei und stellte die Frage, wie sich nachfolgende Generationen entwickeln, wenn seelische Erschütterungen nicht verarbeitet werden.

Franziska Peter sprach davon, wie die Vergangenheit die Gegenwart prägt, wie sie auch in ihrer Generationen nachwirkt. Ihr seit es persönlich unmöglich sich nicht mit der Vergangenheit zu beschäftigen, was ausschlaggebend für die Teilnahme am Wettbewerb gewesen sei. “Im Nationalsozialismus stand der Im Nationalsozialismus stand der menschliche Körper im Zentrum der Ideologie und politischen Praxis. Das NS-System versuchte ihn zu idealisieren, zu züchten und zu zerstören. Der Körper war Kultobjekt und Kriegsinstrument.” Aus diesen Gedanken heraus habe sie sich bewusst für die figürliche Formensprache entschieden. Die Wahl für das Material Glas, das lichtdurchlässig, lichtdurchflutet ist erinnere titelgebend an die hellen Schatten auf einem Röntgenbild, als Metapher für den unkontrollierbaren, schnellwachsenden Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen.

“Wir wissen, dass Rassismus nicht mehr nur am rechten Rand wächst. Nur mit unserem aktiven Handeln und klarer Positionierung, kann sich ein tolerantes Miteinander durchsetzen.”

Künstlerin Franziska Peter. Im Hintergrund links: Kreisarchivar Joachim Schulz-Hünerlage. Foto: RG

Gedenkzeichen soll belebt werden

“Ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir es nicht einfach nur hier hinstellen, sondern auch beleben”, erklärte Kreisarchivar Joachim Schulz-Hönerlage. Zu den 145 Opfern der NS-Zeit wird es vom Kreis eine Broschüre geben, die über den QR-Code auf der Begleittafel online zu finden ist. Und dann überraschten Schulz-Hünerlage, Hanna Werth (Schauspielerin am Düsseldorfer Schauspielhaus) und Philipp Alfons Heitmann (Freischaffender Schauspieler für Theater und Film, sowie Sprecher für Rundfunk) die Gäste mit Szenischen Lesungen, die die Opfer und ihr Schicksal in bedrückender Weise lebendig werden ließen. Die Regie für die Szenischen Lesungen hatte Julia-Huda Nahas. Zum Abschluss wurden alle 145 Namen der Opfer verlesen.

Kommentar: Die Szenischen Lesungen waren eine beeindruckende Vorstellung, die den geladenen Gästen sicher noch lange in Erinnerung bleibt. Ausschnitte davon sind auf unserer Facebookseite zu finden.

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