Corona-Spaziergänge – montags auch in Erkrath

Transparent vor der evangelischen Kirche. Foto: SK

In Erkrath formiert sich eine Gegenbewegung, angeführt von den Omas gegen Rechts sowie Michaele Gincel-Reinhardt, gerade nachgerückt im Stadtrat für die Linke.

Michaele Gincel-Reinhard meldete das Treffen derjenigen an, die sich für eine Impfung aussprechen, vor allem aber „Flagge zeigen“ wollen gegen die deutschlandweit stattfindende Unterwanderung der „Corona-Spaziergänge“ durch Anhänger der vielschichtigen rechten Szene.   

Als sich am Montag um 18 Uhr diejenigen, die eine Impfung für sich sowie eine generelle Pflicht dazu vehement ablehnen, wie eine Woche früher an der Ev. Kirche in der Bahnstraße treffen wollten, standen dort bereits gut 40 Personen. Diese trugen jedoch alle eine FFP2 oder medizinische Maske. „Wo sind denn meine Leute“, wunderte sich eine Dame, ebenfalls eine Maske tragend, ob der Ansammlung offensichtlicher Impfbefürworter, sichtbar an den ausgelegten Info-Blättern. Mit einem dieser Impfbefürworter tauschte sie sich kurz aus. Auf ihre Frage, warum er und die anderen Impfbefürworter heute da seien, antwortete der: „Wir sind alle gegen die Rechten und wollen das mit unserer Anwesenheit heute und hier zeigen.“ Klarstellend, dass „bei uns auch keiner für die Rechten ist“ schob sie ihr mitgeführtes Fahrrad hinüber zu den rund 30 Personen, die sich, alle ohne eine Maske, neben der ‘falschen’ Gruppe sammelten. Aus ihrer Anregung: „Dann können wir doch zusammen spazieren gehen“, wurde dann nichts. Denn Schlag 18 Uhr setze sich deren Spaziergang in Bewegung und eine Chance, miteinander ins Gespräch zu kommen, ging vorbei.

Diskussion und Aggression zwischen den Gruppen bleibt aus

Zum Bedauern eines Teils der Teilnehmer der beim Ordnungsamt angemeldeten Demonstration des bürgerlichen Bündnisses, das zum großen Teil aus Vertretern der Ratsparteien von Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der FDP bestand, kam es nicht zum Meinungsaustausch oder einer Diskussion mit den „Spaziergängern“. Auch zahlreiche Mitglieder von Fridays for Future waren gekommen wie natürlich die – auch in anderen Städten des Kreises sehr aktiven – Omas gegen Rechts beiderlei Geschlechts. Untereinander, aber bis auf vorgenannte Ausnahme, nicht miteinander wurde viel diskutiert in beiden Lagern, während sie nebeneinander standen und sich ausführlich musterten, bis sich der Zug der Spaziergänger in Bewegung setzte. Wie Detlef Ehlert, dem Fraktionsvorsitzende der SPD Erkrath, ging es auch anderen Teilnehmern der angemeldeten Demonstrierenden: „Ich kenne niemanden aus der Gruppe der Spaziergänger. Mein Eindruck ist, dass die meisten nicht aus Erkrath stammen.“

Zug durch die Stadt endet vor dem „La Passione“

Nachdem sich die Teilnehmer von der Bahnstraße aus in Richtung S-Bahnhof in Bewegung setzen, begleitete sie einer der Streifenwagen der Polizei. Zunächst ging es, immer die Bürgersteige benutzend, entlang der Bismarckstraße, bis der inzwischen auf gut 80 Personen angewachsene Zug die Straße querte, um über den Bernsau-Platz hinweg zur Gerberstraße zu ziehen. Hier erwartete sie wieder der sie begleitendende Streifenwagen, um ihr Überqueren der Gerberstraße zu sichern. Weiter ging es durch den Park hinter der Caritas-Begegnungsstätte vorbei am Bavier-Center bis zur Kreuzstraße. Auch hier stand wieder der Streifenwagen bereit, um mit Blaulicht den Autofahrern zu signalisieren, dass mehr als nur ein Fußgänger die Querungshilfe benutzt, um in die gegenüberliegende Schubertstraße weiterzuziehen. Über die Kirchstraße kam der Zug, die ganze Zeit vorschriftsmäßig auf dem Bürgersteig gehend, zurück zur Kreuzstraße. An der Ampelanlage kreuzte der flanierende Trupp dann in zwei Gruppen die Kreuzstraße. Auf der Bahnstraße endetet der rund einstündige Spaziergang vor dem ‘La Passione’, wo man draußen vor dem Lokal stehend noch das ein oder andere Getränk zu sich nahm. Hier endete auch die Begleitung durch den letzten von drei Streifenwagen und einem Mannschaftbus. Die anderen Polizeiwagen hatten Erkrath bereits verlassen, als klar war, dass das Zusammentreffen der angemeldeten Aktion der Impfbefürworter ohne Zusammenstöße beendet war und sich die ‘Spaziergänger’ in Bewegung setzten. 
Laut der Besatzung des Streifenwagens hatten sich um 18 Uhr am Treffpunkt an der Ev. Kirche zunächst 40 Teilnehmende auf den Spaziergang begeben. Der Zug sei dann im Verlauf der o. g. Strecke auf gut 80 Personen angewachsen.

Interview mit Michaele Gincel-Reinhardt

(Initiatorin der „Pro Aktion für Respekt, Solidarität und Toleranz“)

erkrath.jetzt: Frau Gincel-Reinhardt, was hat Sie dazu bewogen, die „Pro Aktion für Respekt, Solidarität und Toleranz“ in Erkrath als Reaktion auf die nun auch hier stattfindenden „Spaziergänge“ von Impfgegnern ins Leben zu rufen?  

Michaele Gincel-Reinhardt: Die soziale Schere geht immer weiter auseinander. Die Diskussion um die Impfpflicht ist ein weiterer gesellschaftlicher Spaltpilz. Ich befürchte, und es gibt schon Belege aus anderen Städten, dass die Empörung der Impfgegner ausgenutzt und die Proteste von rechten Gruppierungen unterlaufen werden. „Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind (Ovid).“

erkrath.jetzt: Wie haben Ihre Kolleg*innen der anderen Fraktionen auf Ihrer Anfrage der Beteiligung an der Aktion am Montag reagiert?

Michaele Gincel-Reinhardt: Die CDU, die BMU und einzelne Personen aus anderen Parteien warten erst einmal ab, um, wie es heißt, die Spaziergänge nicht aufzuwerten. In den eigenen Reihen (Anm. der Redaktion: Die Linke Erkrath) habe ich bis jetzt nur offene Ohren gefunden, wie es die Beteiligung am Montag auch gezeigt hat.

erkrath.jetzt: Können Sie nachvollziehen, warum sich nicht alle, im Erkrather Stadtrat vertretene Fraktionen beteiligt haben?

Michaele Gincel-Reinhardt: Ich werde den Austausch mit den Kolleg*innen der BmU und der CDU weiter suchen, kann aber nicht beurteilen, ob sie das Gefahrenpotential so einschätzen wie ich.

erkrath.jetzt: Was hat Sie persönlich bei der Veranstaltung am Montag positiv überrascht, bzw. haben Sie sich eventuell auch über etwas geärgert?

Michaele Gincel-Reinhardt: Beeindruckt bin ich von dem furchtlosen Engagement der Omas gegen Rechts und auch davon, wie viele meinem Aufruf gefolgt sind, auch Fridays for Future war stark vertreten. Geärgert habe ich mich eher über mich selbst. Darüber, dass ich am Montag nicht aktiv das Gespräch gesucht habe.

erkrath.jetzt: Wird es an den kommenden Montagen wieder Aktionen geben?

Michaele Gincel-Reinhardt:  Das weitere Vorgehen wird am Freitagabend (Anm. der Redaktion: 21.1.) besprochen. Unser Einsatz für unsere demokratischen Werte und ein friedliches Miteinander kann nur gelingen, wenn die Stadtgesellschaft zusammensteht: Parteien, Initiativen, Privatpersonen.

Email von Michaele Gincel-Reinhardt an Ratskollegen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

zunächst bedanke ich mich herzlich für die zahlreichen Rückmeldungen per Mail oder Telefon. Es zeigt, dass der Protest-Spaziergang durch unsere Stadt am vergangenen Montag nicht nur mir befremdlich und gleichzeitig alarmierend vorgekommen ist.

Es ist durchaus verständlich, dass nun in den Fraktionen, den Ortsverbänden und den verschiedenen Initiativen ein Umgang mit diesen in vielen Städten stattfindenden Protest-Spaziergängen diskutiert wird.

Am morgigen Montag, dem 17.01.2022, stehen die “Omas gegen Rechts” ab 17.30 Uhr in der Nähe der evangelischen Kirche in der Bahnstraße. Ich begrüße sehr, dass einige Fraktionen ihre Sitzungen zeitlich nach hinten verlegt haben, um den Mitgliedern durch ihre Anwesenheit eine Unterstützung der “Omas gegen Rechts” zu ermöglichen. Ich habe diese Versammlung bei der Kreispolizei angemeldet und hoffe, viele von Ihnen/Euch morgen zu treffen.

Auf der Grundlage der morgen zu sammelnden Eindrücken werde ich zeitnah zu einem Online-Austausch einladen, um die Gründung eines parteiübergreifendes Bündnisses zu initiieren.

Für jede weitere Anregung und Unterstützung dankbar, verbleibe ich

mit den besten Grüßen

Michaele Gincel-Reinhardt

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