Bürgeransturm bei den Stadtwerken

Foto: Stadtwerke Erkrath

Mit einem so großen Besucheransturm zum öffentlichen Teil der Aufsichtsratssitzung der Stadtwerke hatte man nicht gerechnet. Schnell wurden noch zusätzliche Stühle herbei geholt.

Etwa 40 Besucher hatten sich zur Sitzung, die im Sitzungszimmer der Stadtwerke an der Gruitener Straße stattfand, eingefunden. Auf der Tagesordnung standen unter anderem mit Top 4 und 5 Anträge der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zur ‘Beendigung der Mitgliedschaft im Lobbyverband Zukunft Gas’ und ‘Senkung der Anschlusswerte der Fernwärmeversorgung und unter Top 6 ‘Vorstellung Ergebnisse Potenzialanalyse zur netzgebundenen geothermischen Wärmeversorgung durch Fraunhofer Institut’. Mit Rücksicht auf die beiden Vertreter des Fraunhofer Instituts wurde Top 6 vorgezogen.

Potenzialanalyse zur netzgebundenen geothermischen Wärmeversorgung

Gregor Bussmann (Leitung Tiefengeothermie und Bohrlochsysteme) und Jana Henrike Leist (Bereich Tiefengeothermie und Bohrlochsysteme) vom Fraunhofer Institut waren zur Vorstellung der Ergebnisse nach Erkrath gekommen. Auch wenn am Ende nur eine Probebohrung endgültige Erkenntnisse bringen kann, so ist anhand der Analysen und Berechnungen doch festzuhalten, dass man in 1000 Meter Tiefe mit einer Wärme des Wasser von bis zu 40 Grad rechnet. Allerdings liegen die Schichten, die für die Bohrung relevant sind, möglicher Weise nicht in 1000 Meter Tiefe, sondern etwas höher, sodass im schlechteren Fall möglicher Weise nur knapp 30 Grad erreicht würden. Allein die Probebohrung kann Gewissheit über die wirklichen Gegebenheiten bringen.

Für das Fernwärmesystem müssten die Temperaturen mittels Wärmepumpen auf das notwendige Temperaturniveau angehoben werden. Im Sommer auf etwa 70 Grad, im Winter auf 110 Grad.

Im Modell geht man davon aus, dass in einer Tiefe von 1000 bis 2000 Metern mit Wassertemperaturen von 35 bis 80 Grad zu rechnen ist. © Fraunhofer Institut

Wie schon in der Infoveranstaltung der Stadtwerke zur Fernwärme, geht man auch nach dieser Analyse davon aus, dass sich möglicherweise 40 Prozent der nötigen Fernwärme durch Geothermie decken lassen. Für eine Probebohrung, die genauere Erkenntnisse bringen könnte, ist eine Aufsuchungserlaubnis notwendig, die bei der Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie in Nordrhein-​Westfalen, beantragt werden muss. Von der Beantragung bis zur Erteilung der Erlaubnis müssen sechs Monate veranschlagt werden.

“Wenn man heute beginnt, würde es 2,5 Jahre dauern, bis die Ergebnisse einer Probebohrung vorliegen”, zeigt Bussmann die zu kalkulierende Zeitspanne auf, in die auch die Beantragung von Fördergeldern fällt. Für die Erkundungsbohrung muss eine Vorplanung und Kostenschätzung erfolgen. Erst dann können 50 Prozent der Kosten, max. 4 Mio. Euro, als Fördergelder beantragt werden. Für die Probebohrung in Erkrath wurde die Summe von 2,6 Mio. Euro genannt. Das Risiko, dass diese Bohrung nicht erfolgreich ist, bleibt. Bringt die Bohrung am Ende ‘zu wenig Wasser’ und ‘zu wenig Temperatur’ zu Tage, wären die Kosten buchstäblich ‘in den Sand gesetzt’. Die Absicherung des sogenannten Fündigkeitsrisikos wird zwar für Kommunen diskutiert, aber verabschiedet sei noch nichts, erklärte Bussmann auf Nachfrage.

Flächen für eine Probebohrung

Von den vorher ermittelten Flächen für eine Probebohrung hat das Fraunhofer Institut nur die Flächen ‘Acker’ und ‘Wiese’ näher in Erwägung gezogen. Dabei wird der Standort ‘Acker’ bevorzugt, weil die Distanz zum bestehenden Netz geringer ist und so weniger Wärme beim Transport verlorengehen würde. Mit dem Einholen einer Aufsuchungserlaubnis für eine Probebohrung käme man dem Einsatz von Geothermie einen kleinen Schritt näher. Erfolgt in dieser Zeit eine Absicherung des Fündigkeitsrisikos, wäre das Risiko einer solchen Probebohrung überschaubar.

Fragen danach, warum man nicht Tiefenbohrungen (bis ca. 4000 Meter) erwäge, um auf höhere Wassertemperaturen zu stoßen, wurden damit beantwortet, dass in den vorhandenen Modellen nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Geologie hier vor Ort wasserführende Schichten in der Tiefe erwarten lasse. “Dann könnte man nur mit technischem hohem Aufwand Gestein aufsprengen, wie man es beim Fracking zur Gewinnung von Gas einsetzt”, machte Gregor Bussmann deutlich, dass das keine Option sei. Das Verfahren nennt man HDR (hot dry rock). Die Gefahr von Grundwasserverunreinigung ist durch Leckagen nicht ausgeschlossen. In NRW und vor allem im Kreis Mettmann ist das aufgrund der hohen Besiedelungsdichte ein eher nicht vertretbares Risiko.

“Damit haben wir die klimaneutrale Umgestaltung der Fernwärme selbst in der Hand, auch wenn 40 Grad Wassertemperatur nicht so hoch ist, wie erhofft”, kommentierte Bürgermeister Christoph Schultz die Vorstellung der Potentialanalyse. Stadtwerke Geschäftsführer Gregor Jeken erklärte, dass man nun konkrete Zahlen habe, die man in das Modell der Stadtwerke zur Fernwärme der Zukunft einarbeiten könne. “Unsere Kunden akzeptieren Fernwärme nicht zu jedem Preis”, erklärte er. Detlef Ehlert (SPD) empfand die Ergebnisse enttäuschend und wollte wissen, was das Fraunhofer Institut empfielt. “In NRW weiß man bisher nicht, wie es mit den Möglichkeiten aussieht. Das erfährt man nur durch Erkundungsbohrungen”, sprach er sich für eine solche aus.

Für das weitere Vorgehen muss erst ein konkreter Beschluss vorbereitet werden, der dann allen Daten und Fakten enthält. In einer von Peter Knitsch beantragten Sitzungsunterbrechung erhielten dann auch Besucher die Möglichkeit Fragen zu stellen.

Beendigung der Mitgliedschaft im Lobbyverband Zukunft Gas

Der Antrag der Grünen forderte die “Beendigung der Mitgliedschaft im Lobbyverband “Zukunft Gas” und Beitritt der Stadtwerke Erkrath GmbH zum Bundesverbandes Erneuerbare Energien e.V. (BEE) bzw. dem Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE)”. Hintergrund für den Antrag war eine Veröffentlichung des Recherchenetzwerks Correctiv, die aufzeigte, dass auch Gazprom an den Verband zahlte. Viele Stadtwerke haben inzwischen ihre Mitgliedschaft im Verband gekündigt. Der Antrag der Grünen forderte, dass auch die Stadtwerke Erkrath ihre Mitgliedschaft beenden. Unterstützung für den Antrag kam von der FDP. “Die Zuständigkeit für eine solche Entscheidung liegt eher bei der Geschäftsführung, als beim Aufsichtsrat. Ich würde mich jedoch freuen, wenn die Geschäftsführung der Empfehlung des Aufsichtsrats folgt”, meldete sich Bürgermeister Christoph Schultz zu Wort.

Gregor Jeken erklärte die Mitgliedschaft damit, dass die Stadtwerke als Gasversorger aus dem Verband alle wichtigen Informationen erhielten. Bernhard Osterwind argumentierte, dass der Verband sehr, sehr intransparent sei und bedauerte, dass Jeken dem dezenten Hinweis des Bürgermeisters offensichtlich nicht folge. Am Ende stimmten zehn Aufsichtsratsmitglieder dafür, dass die Stadtwerke aus dem Verband austreten sollten, acht entschieden sich dagegen. Wie die Stadtwerke nun mit diesem Votum umgehen, bleibt offen. Gregor Jeken versprach auf Nachfrage in einer der nächsten Sitzungen eine Liste der Mitgliedschaften in Verbänden vorzulegen.

Senkung der Anschlusswerte Fernwärmeversorgung

Ein weiterer Antrag der Grünen forderte die Senkung der Anschlusswerte. Hier war es zu Verzögerungen nach der Netzübernahme gekommen. Inzwischen ist die Anpassung wieder möglich, aber nicht kostenfrei. 240,38 Euro werden Kunden berechnet, die ihren Anschlusswert senken lassen wollen. Das Vorgehen hielt Peter Knitsch für grundsätzlich falsch, da aus seiner Sicht die Anschlusswerte in der Vergangenheit viel zu hoch angesetzt wurden. Außerdem kritisierte er die verhaltene Drohung im Anschreiben der Stadtwerke, die aussagte, dass bei einer Leistungsreduzierung anschließend kein Anspruch auf eine Leistungserhöhung bestehe, da die Stadtwerke die frei gewordene Leistung weiterverkaufen würden (Siehe Anlage zu Top 5). Aus Sicht der Grünen sollten die Stadtwerke auf die Gebühr verzichten.

Gregor Jeken argumentierte, dass man nach der Netzübernahme die Prozesse erst hätte definieren müssen. Die Gebühr entspräche den Kosten Personalaufwand und Fahrtkosten. Bernhard Osterwind machte darauf aufmerksam, dass Kunden, die die Möglichkeit der Senkung des Anschlusswertes nutzen, nun erst ein Jahr später von der Einsparung profitieren. Kritisiert wurde auch, dass die Stadtwerke eine Gebühr von 104,72 Euro erheben, wenn der Kunde der die Anpassung wünscht, nicht zu Hause angetroffen wird. “Machen Sie das umgekehrt auch, wenn Sie einen Termin nicht einhalten?” Osterwind führte auch noch einmal aus, wie die Anschlusswerte bei Inbetriebnahme des Netzes in Hochdahl zustande kamen und das diese von Beginn an für viele Haushalte zu hoch angesetzt waren.

Wilfried Schmidt argumentierte, dass die Stadtwerke immer bestrebt seien kundenfreundlich Preise zu bieten. “Wir sind nicht auf Rosen gebettet”, verdeutlichte er die Lage der Stadtwerke. In der folgenden Abstimmung stimmten schließlich sieben Mitglieder für den Antrag der Grünen auf die Gebühr zu verzichten, dreizehn Mitglieder stimmten dagegen, sodass dieser keine Mehrheit fand.

Enttäuschte Besucher

Die rund 40 Besucher an diesem Abend waren selbst Fernwärmekunden, die sich in der Interessengemeinschaft Fernwärme zusammengeschlossen haben. Ulf Pambor hat den Besuch für alle, die nicht dabei waren, zusammengefasst. Der ganze Text ist zu umfangreich, um ihn hier abzubilden und greift auch die Inhalte auf, die wir hier in unserem Artikel behandelt haben. Aber einige Auszüge haben wir ausgewählt, weil sie beschreiben, wie sich die Anwesenden als Besucher der Sitzung gefühlt haben:

Da sich viele Fernwärmekunden der Stadtwerke Erkrath (SWE) fragen, wie denn eigentlich in einem Unternehmen, das zu 100% im Besitz der Stadt Erkrath ist, die „kommunale Kontrolle“ funktioniert, haben wir in der „Interessengemeinschaft Fernwärme Hochdahl“ beschlossen, dem städtischen Kontrollgremium, dem Aufsichtsrat, einen Besuch abzustatten und uns selbst einen Eindruck zur Arbeitsweise und zur Bearbeitung der für uns relevanten Themen zu verschaffen. Selbstverständlich ist uns klar, dass wir leider nur zu den „öffentlichen Themen“ Zugang bekommen. Warum eigentlich? […] Erst nachdem aus der Aufsichtsrats-Runde interveniert wurde, wurden noch Stühle herangeschafft, sonst hätten viele der teilweise älteren Zuhörer die ganze Zeit (ca. 2,5h) stehen müssen. […] Es ist schon ein deutliches Signal, wie ernst man die Öffentlichkeit nimmt, wenn sich weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch der Geschäftsführer der Stadtwerke noch der Bürgermeister dazu durchringen können, die Besucher zumindest zu begrüßen. […] Leider war nicht allen Besuchern klar, dass sie nur passiv zuhören dürfen. So passierte es, dass eine Frage aus den Reihen der Besucher gestellt wurde. Die Reaktion des Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Schmidt war schon bezeichnend: Er sagte etwas wie „das geht ja gar nicht“ und ignorierte die Frage und den Fragesteller. Erst durch Extra-Antrag konnte dann „eine Pause gemacht werden“ und die Frage durfte gestellt werden. Immerhin. Danke dafür.

Kommentar: Es war sicher nicht die letzte Sitzung des Aufsichtsrats, die auf größeres Besucherinteresse stößt. Vielleicht plant man ja künftig wieder in größeren Räumlichkeiten mit Mikrofonanlage, damit Besucher dem Sitzungsverlauf besser folgen können. Und vielleicht vergisst man dann ja auch nicht zu Beginn die höfliche Begrüßung der Gäste.

1 Kommentar

  1. Ich frage mich allen Ernstes, was denn ein „Lobbyverband Zukunft Gas“ für Erkrath bringen soll und wer wohl auf diese absurde Idee kam, den Beitritt in diesen Gas-Club zu erklären. Denn dieser Verband wird doch nur dafür sorgen, die Stadtwerke noch stärker mit hohen Preisen an den Energieträger Gas zu binden. Das alles ist noch absurder wenn man bedenkt, dass gerade erst im Aufsichtsrat Geothermie erörtert worden ist, um so Gas zu reduzieren. Das „Ruhrgebiet“ lässt grüßen.

    Wie ich nun höre, hat aber eben dieser Verband „ Zukunft Gas“ den Stadtwerken vorgeschlagen, für die Anpassung der schon immer viel zu hohen Fernwärme Anschlusswerte jeweils eine Gebühr in Höhe von 240,33 Euro zu kassieren. Im letzten Jahr war doch mit einem ähnlichen Vorschlag schon E.ON fast gescheitert. Hatte man bei den Stadtwerken nicht aufgepasst? Jetzt im Aufsichtsrat die Gebühr noch einmal zu bestätigen, grenzt an nicht zu steigernde Ignoranz. Ich befürchte, die mit dieser Gebühr verbundene erneute Ausnutzung der monopolartigen Abhängigkeit der Bürger wird noch ein gewichtiges Nachspiel haben. Der Ärger bei den Bürgern ist jetzt schon gewaltig. Vertrauen schaffen geht anders. Aber der Aufsichtsrat der Stadtwerke hätte ja wohl die Bürger am liebsten aus dem Sitzungssaal verwiesen.

    Gut, dass es inzwischen die Interessengemeinschaft Fernwärme in Hochdahl gibt! Sie kümmert sich endlich um die berechtigten Belange und Interessen der Fernwärmekunden. Diese Aufgabe hätten immer schon der jeweilige Bürgermeister bzw. Stadtdirektor bzw. jetzt auch die Stadtwerke wahrnehmen müssen. Haben sie aber nicht – so wäre es dann manchmal besser, wenn neue Leute die Verantwortung übernehmen. Die würden dann sicher endlich begreifen, dass die Stadtwerke als 100 %-ige Tochter der Stadt und damit den Bürgern gehört.

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