Im vergangenen Jahr machten Apotheker auch in Erkrath mit einem Protesttag auf ihre Situation aufmerksam (wir berichteten). Geändert hat sich seit dem für sie nichts. Ältere Apotheker müssen um die Nachfolge fürchten.
Wenn ein Krankenhaus schließt, sind die Auswirkungen den meisten Menschen sofort klar. Die Insolvenz der Kplus-Gruppe mit Auswirkungen auf die Krankenhäuser in Haan und Hilden und zuletzt die Insolvenz des Marienkrankenhaus in Ratingen haben dafür gesorgt, dass Menschen ihren Protest auf die Straße getragen haben. Die Schließung einer Apotheke findet deutlich ‚leiser‘ statt, wird in der Bevölkerung – solange es noch andere Apotheken in der Nähe gibt – nur wenig kommentiert und auch in der Presse seltener aufgegriffen.
Laut ABDA Bundesvgg. Dt. Apothekerverbände beträgt ihre Anzahl in Deutschland inzwischen nur noch 17.288. Allein im ersten Halbjahr 2024 sei die Zahl der Apotheken um 283 gesunken. Seit dem Jahreswechsel ist das eine prozentuale Abnahme von 1,6 Prozent. Die Schließungen betreffen sowohl die Haupt- und Einzelapotheken, deren Zahl um 234 gesunken ist, als auch Filialen, von denen 49 geschlossen haben. Damit setzt sich ein Trend aus den letzten Jahren fort, der sogar noch zugenommen hat. Im Jahr 2022 schlossen im ersten Halbjahr 205 Apotheken. In 2023 waren es im gleichen Zeitraum schon 238 Apotheken. Noch deutlicher wird die Abnahme der Apothekendichte vielleicht, wenn man auf das Jahr 2008 schaut, da waren es noch 21.602 Apotheken.
Apothekedichte in Erkrath
Noch spüren die Menschen in Erkrath die Auswirkungen dieser Entwicklung nicht direkt, auch wenn die Apothekendichte hier vor Ort schon deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Aber für ältere Inhaber wird es auch in Erkrath schwieriger einen Nachfolger zu finden. „Wer sich ausrechnet, dass er als Inhaber am Ende dann möglichweise weniger verdient, als wenn er angestellt wäre, überlegt sich gut, ob er diesen Schritt noch wagt“, sagt uns Alexey Bronov. 2016 hat er in Alt-Erkrath die Bavier-Apotheke übernommen. Bereut hat er den Schritt nicht, aber er wünscht sich Veränderungen im Gesundheitssystem, die die Versorgung in der Fläche durch Apotheken auch künftig sicherstellen. „Es muss einfach mehr Geld ins System“ bringt er es auf den Punkt. Seit mehr 20 Jahren gab es für die Apotheken keine nennenswerten Anpassungen im Vergütungssystem. Anlässlich des Apotheken-Protests im vergangenen Jahr hatten wir ausführlicher dazu berichtet.
Schon jetzt liegt die Apothekendichte in Deutschland weit hinter dem europäischen Durchschnitt, der bei 32 Apotheken je 100.000 Einwohner liegt. In Deutschland sind es nur 21 Apotheken. Die dramatische Entwicklung beim ‚Apothekensterben‘ wird vor allem in ländlichen Regionen zu einem Problem. Aber auch Großstädte bleiben nicht verschont. So berichtet der ABDA, das die Apothekendichte in Berlin inzwischen schon deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Dort kommen auf 100.000 Einwohner nur 19 Apotheken. In Erkrath liegt die Apothekendichte noch deutlicher unter dem Bundesdurchschnitt hier kommen auf 100.000 Einwohner hochgerechnet nur 17,5 Apotheken.
Im Bundesdurchschnitt gibt es eine Apotheke für 4.762 Einwohner. Wir haben das für Erkrath und seine Stadtteile betrachtet. Laut einer Statistik aus Januar 2024 auf der Homepage der Stadt Erkrath beträgt die Einwohnerzahl 45.607. Davon leben 27.416 Menschen in Hochdahl, 12.882 in Alt-Erkrath und 5.309 in Unterfeldhaus. In Hochdahl gibt es aktuell fünf Apotheken und somit je eine Apotheke für 5.483 Menschen. In Alt-Erkrath gibt es je eine Apotheke für 6.441 Menschen und in Unterfeldhaus eine für 5.309. Auf Gesamt-Erkrath gesehen, kommen auf eine Apotheke 5.700 Menschen. Angesichts dieser Zahlen bleibt zu wünschen, dass in den Apotheken, in denen in den kommenden Jahren ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gesucht wird, die Nachfolge auch gelingt.
Nun wird der eine oder andere sagen, dass es ja auch noch die Online-Apotheken im Internet gibt und viele Medikamente so bestellt werden. Die häufig notwendige Beratung bleibt an dieser Stelle aus. Genauso wenig gelingt es ein dringend benötigtes Medikament noch am gleichen Tag zu bekommen. „Bei uns können Kunden noch bis 16 Uhr in die Apotheke kommen und wenn wir das benötigte Medikament nicht vorrätig haben, bestellen wir es und es wird es am gleichen Abend noch geliefert“, macht Apotheker Alexej Bronov den Unterschied deutlich. Ähnlich sieht es aus, wenn Medikamente gerade generell nicht lieferbar sind. In der Apotheke des Vertrauens sucht der erfahrene Apotheker nach Alternativen, hält möglicher Weise Rücksprache mit der Arztpraxis und versucht ein passendes Medikament zu bestellen. Ein zeitaufwändiger Prozess, der in den letzten Jahren immer häufiger zum Alltag der Apotheken gehört und für den es keine Vergütung gibt.
Das sagen Verbände und Kammer zur Situation
Die eingangs genannten Zahlen zur Abnahme der Apothekendichte hat die ABDA auf Basis von Meldungen aus den Landesapothekerkammern berechnet. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sagt: „Seit Jahren warnen wir die Politik vor den Folgen der sinkenden Apothekenzahlen für die Bevölkerung. Doch anstatt das System endlich zu stabilisieren, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seiner Apothekenreform nun auch noch das bewährte System der Arzneimittelversorgung über die inhabergeführten Apotheken aushöhlen und Leistungen für die Bevölkerung kürzen. Das können wir nicht zulassen und müssen uns dagegen wehren. Unsere Patientinnen und Patienten brauchen vollversorgende Apotheken mit Apothekerinnen und Apothekern, die vor Ort die Verantwortung tragen – und keine Lauterbachschen Scheinapotheken, in denen es künftig keine sichere Versorgung, keine Betäubungsmittel, keine Rezepturen und keine Impfungen mehr gibt.“
Über die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Apothekenreform berichtete die Pharmazeutische Zeitung im Dezember 2023 und im Juni 2024. Kritik an der Reform gab es laut einer Pressemitteilung der ABDA sogar aus Lauterbachs eigenen Reihen. Die Deutsche Apotheker Zeitung erklärt, ‚wo der Fehler im System liegt‘.
Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), sagt: „Mit Blick auf die älter werdende Bevölkerung brauchen die Menschen die pharmazeutische Expertise der Apothekerinnen und Apotheker noch viel mehr. Die vom Minister geplanten, gesetzlich vorgegebenen Qualitätseinbußen werden nur zu weiteren Schließungen und zu einer Automatisierung der Versorgung führen. Aus Sicht unseres Heilberufes entstehen durch die aktuellen Pläne der Bundesregierung Gefahren für die Patientensicherheit, weil damit eine grundlegend veränderte, qualitativ niedrigwertigere Abgabe von Arzneimitteln etabliert wird. Hinzu kommt, dass die Arbeitsplätze von rund 40.000 Apothekerinnen und Apothekern bedroht sind, wenn in den Scheinapotheken des Ministers keine Apothekerinnen und Apotheker mehr arbeiten müssen.“
Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), sagt: „Immer mehr Apotheken machen dicht, weil ihnen eine wirtschaftliche Perspektive fehlt. Für den pharmazeutischen Nachwuchs wird eine Apothekengründung immer unattraktiver – im ersten Halbjahr dieses Jahres hat es lediglich 24 neu gegründete Apotheken gegeben. Das ist dramatisch! Das Apothekenhonorar wurde zuletzt 2013 um 3 Prozent erhöht, seitdem ist die Inflation um knapp 30 Prozent und die Kosten der Apothekenbetriebe um rund 60 Prozent gestiegen. Wir können unseren Angestellten schon jetzt nur noch Löhne zahlen, die mit anderen Gehältern aus der Gesundheitsbranche nicht mehr mithalten können. Wir müssen unseren rund 160.000 Angestellten und unserem Nachwuchs endlich eine Perspektive geben – dazu muss das Apothekenhonorar schnell erhöht und an die Inflation angepasst werden!“
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