Am alten Gasometer

Oberhalb des alten Gasometers. V.l.n.r.: Michael Pfeiffer (Geschäftsführer Becker Umwelttechnik), Sarah Brinkmann und Matthias Pfülb (Reducta Umweltingenieure), Ann-Sofie Theisges und Andre Kühnen (Catella), Thomas Staupe (Techn. Geschäftsführer Becker Umwelttechnik) und Klaus Franken (Catella Geschäftsführer). Foto: RG

Am Wimmersberg wird derzeit viel Erde bewegt und dabei Industriegeschichte ausgegraben.

Wenn auf einem ehemaligen Gewerbegebiet Wohnbebauung entstehen soll, ist Sorgfalt gefragt und Bodenuntersuchungen gehören inzwischen zum Standard. Die sind auch am Wimmersberg erfolgt. In großen Teilen sind die Analysen eher unauffällig ausgefallen. Eine Ausnahme gibt es allerdings. “Wir haben hier einen sogenannten Hotspot, einen ehemaligen Gasometer”, erklärt Michael Pfeiffer, Geschäftsführer von Becker Umwelttechnik. Das Unternehmen ist mit der Altlastenbeseitigung beauftragt und arbeitet dabei eng mit der unteren Umweltbehörde des Kreises Mettmann zusammen. Vor Beginn der Arbeiten lagen Recherchen in alten Bauakten, die Auskunft darüber geben sollten, welche Unternehmen wo im Gebiet angesiedelt waren. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf mögliche Belastungen ziehen. Umweltingenieure von Reducta aus Düsseldorf hatten diese Aufgabe übernommen und ein entsprechendes Gutachten erstellt.

Während der größte Teil des künftigen Baugebiets geringe bis mäßige Belastungen des Bodens aufweist, ist das am ehemaligen Gasometer anders. “Die Erde hier ist hoch kontaminiert. Das können Sie sogar riechen”, kündigt Pfeiffer an, bevor es von der Helena-Rubinstein-Straße aus über die Reste einer Treppe von einem abgetragenen Gebäude nach unten geht. Und tatsächlich: Die Erde, die auf einem kleinen Plateau mit restlichem Betonuntergrund auf dicken undurchlässigen Folien vom Bagger aufgeschüttet wird, strömt einen starken Geruch aus.

“Wir sind hier auf einen alten Gasometer gestoßen, der zur ehemaligen Weberrei gehörte. Der ist später mit allem möglichen Bauschutt verfüllt worden”, berichtet Michael Pfeiffer, was nach den Abbrucharbeiten im letzten Jahr zum Vorschein kam. Auf der dicken Folie türmen sich drei Erdberge auf. “Wir sortieren die Erde nach Verfärbungen und Geruch vor. Eine weitere Analyse gibt dann Aufschluss darüber, auf welche Art die Entsorgung geschehen muss”, erklärt er. “Oberflächlich abgetragenes Baumaterial kann – sofern es keine Belastungen aufweist – recycelt und eventuell als Befestigungsmaterial wiederverwendet werden”, führt er weiter aus. “Es gehört zur Nachhaltigkeit wiederverwendbare Materialien nicht einfach zu entsorgen”, fügt Catella Geschäftsführer Klaus Franken hinzu. Und dann, noch ein weniger tiefer unten, ist der runde Trichter sichtbar, der einst der Gasometer der Weberei war.

Ein kleiner Rückblick in die Erkrather Industriegeschichte

Gegründet 1864 unter dem Namen Weberei August Priesack Comp., ist die Weberei mehr unter dem Namen des Nachfolgers de Weerth & Co., zu jener Zeit einer der größten Arbeitgeber in Erkrath, bekannt. Eine öffentliche Bekanntmachung vom 8. Oktober 1869 weist auf die von Priesack geplante Errichtung eines Gaswerks zur Beleuchtung der Fabrikhallen hin. Im Februar 1871 übertrug Priesack die Fabrik dann an die Brüder Ernst und Arthur de Weerth.

Die Weberei de Weerth betrieb 1880 rund 400 Webstühle in Erkrath, später sogar 800, was auch Unterlagen zur Erweiterung der Dampfkesselanlagen zu ersehen ist. Lange ist das her. 1924 ging die Weberei de Weerth & Co., deren Hauptsitz Wuppertal war, mit anderen Webereien in einer Fusion in die Rheinische Textilfabriken AG auf. Die Weberei in Erkrath wurde im weiteren Verlauf in den 1930ern aufgegeben. (Quellen: stadtgeschichte-wuppertal.de und Holger Johans Recherchen im Stadtarchiv)

Lage der Gasfarik, dargestellt in einem alten Situationsplan.
Zur Verfügung gestellt von Holger Johan, der in den alten Akten recherchiert hat.

Auf die Weberei folgte am Standort bis in die 1960er die Friedrich Wilhelm von Dreusche Nagel- und Metallwarenfabrik. Ein über Google recherchierbares Patent von 1926 und das Bild einer Verpackung auf ein norwegischen Website (Digitalmuseum) erinnern an von Dreusche und die ‘Schuh-Tacks’. Gleich nebenan, auf dem heutigen Gelände des Discounters, gab das 1901 gegründete Unternehmen Pumpen-Wart, das bis heute, unter dem Namen Pumpentechnik Erkrath GmbH & Co. KG, existiert und seinen Sitz inzwischen in Unterfeldhaus hat.

Ein altes Luftbild zeigt den Industriekomplex mit Weberei de Weerth und Pumpen-Wart.
Auch diese Aufnahme wurde uns von Holger Johan zur Verfügung gestellt.

Zurück in die Gegenwart

Jetzt, mehr als 80 Jahre nach dem Ende der Weberei de Weerth, wird vorsichtig Schicht um Schicht aus dem alten Gasometer gebaggert. Vor Beginn mussten zwei Pumpen installiert werden, die Wasser aus der Grube gepumpt haben, um den Aushub ‘trocken zu legen’. Der Gasometer reicht vier bis fünf Meter in die Tiefe und hat einem Umfang von etwa 13 Metern.

“Der oberirdische Abbruch auf dem Gelände erfolgte bereits im letzten Jahr”, berichtet Klaus Franken. Längst hatte sich die Natur Teile des Industriegeländes zurückerobert, sodass zuerst Rodungsarbeiten durchgeführt werden mussten, bevor dann die umwelttechnische Behandlung des Bodenmaterials beginnen konnte. Stehengeblieben sind die hohen Bäume der Einfahrt der Helena-Rubinstein-Straße, die auch erhalten bleiben sollen. Der Bereich ist kaum belastet und nicht von der geplanten Bebauung betroffen.

© RG

Klaus Franken erklärt den weiteren Ablauf auf dem Areal ‘Düssel-Terrassen‘. Erst wenn alle umwelttechnischen Erdarbeiten erledigt sind, beginnt die eigentliche ‘Ummodelierung’ des Baugebietes, um die Höhenunterschiede auf ein möglichst barrierearmes Niveau zu bringen. “Wir hoffen auf erste Baugenehmigungen noch in diesem Jahr”, erklärt Franken. Dort wo einst der Gasometer der Weberrei war, wird später ein Wohnhaus stehen. Vielleicht lautet die Adresse dann ja künftig ‘Am alten Gasometer’? Das würde dann an die Industriegeschichte des Ortes erinnern. “Über Straßennamen denkt derzeit noch niemand nach”, lacht Franken über den Vorschlag, doch man sieht ihm an, dass er gerade in diesem Moment doch einen Moment über eine solche Möglichkeit nachdenkt. Geschichte, auch Industriegeschichte, sichtbar werden zu lassen, hat eben einen ganz eigenen Charme.

Visualisierung der ‘grünen Mitte’.
© Catella

Unterhalb des Gasometers, entlang der Bahnschienen soll ein Parkhaus, die ‘Quartiersgarage’ entstehen. Die wird gleichzeitig einen Lärmschutz zur Wohnbebauung und zur Kita bieten, die in etwa neben dem heutigen Discounter-Parkplatz geplant ist. Eine Mauer wird die Kita vom Parkplatz abschirmen. Oberhalb des Gasometers und des künftigen Wohnhauses beginnt dann die geplante ‘grüne Mitte’, die Anwohnern später Aufenthaltsqualität und Freizeitwert im Quartier bieten soll. Franken rechnet mit Fertigstellung der ersten Gebäude in 2024. Auch entlang der Schlüterstraße sollen in dieser Zeit Wohnhäuser entstehen.

Der Aus- und Umzug von SKFM auf der anderen Seite der Helena-Rubinsteinstraße ist für Ende 2023 geplant. Erst im Anschluss werden die Gebäudekomplexe auf dieser Seite abgerissen, sodass der Baubeginn dort erst später erfolgen wird.

2 Kommentare

  1. Ein sehr schöner Artikel. Ein Korrekturhinweis: links im Bild ist Michael Pfeiffer, GF von BUT, der 3. von links bin ich.
    viele Grüße! Matthias Pfülb

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